(K)ein Wunder. Kann ein Mensch übers Wasser laufen?
- 11.11.2016
- Es gibt eine Klasse von Insekten, die über das Wasser laufen kann: die so genannten Wasserläufer. Diese circa ein Zentimeter großen, aber nur ein hundertstel Gramm schweren Insekten huschen auf ihren langen, dünnen Beinen über die Wasseroberfläche. Die Beine sinken nicht ein, der Körper berührt das Wasser nie. Wie ist das möglich? Hier wirken dieselben Prinzipien, die Wassertropfen oder Seifenblasen fast kugelrund machen und dafür sorgen, dass eine Wasseroberfläche zum Beispiel eingefettete Büroklammern tragen kann. Stellen wir uns hier mal ganz unwissenschaftlich vor, Moleküle hätten einen eigenen Willen: Wassermoleküle wollen nicht an der Oberfläche sein, daher werden Auswölbungen oder Krümmungen der Oberfläche möglichst vermieden oder zumindest gleichmäßig verteilt. Dieses Phänomen wird als Oberflächenspannung bezeichnet. Wassermoleküle haben auch starke Vorlieben, mit welchen anderen Stoffen sie Kontakt haben wollen; mit Fett zum Beispiel gar nicht. Wird nun ein fettiger Gegenstand ins Wasser abgesenkt, so versuchen die Wassermoleküle, den Gegenstand so wenig wie möglich zu berühren. Die Wasseroberfläche soll aber auch wenig und wenn doch gleichmäßig gekrümmt werden. Daher entsteht um den Gegenstand herum eine flache „Delle“. Die Wassermoleküle wollen die Delle verkleinern, deshalb ziehen sie den Gegenstand nach oben. Senkt man den Gegenstand jedoch gegen diese Kraft weiter ab, überwiegt irgendwann das Bestreben, die Delle klein zu halten, und die Wassermoleküle benetzen den fettigen Gegenstand eben doch. Ab diesem Moment ändert die Delle ihre Form nicht mehr und die nach oben gerichtete Kraft wächst nicht mehr. Reicht diese maximale Kraft, den Gegenstand zu tragen, so liegt er auf der Wasseroberfläche, reicht sie nicht, sinkt er ein. Die maximale Tragkraft lässt sich eigentlich nur vergrößern, indem man die Ausdehnung der verformten Wasseroberfläche vergrößert. Da die Verformung aber nur am Rand des Gegenstandes auftritt, werden Gegenstände mit vergleichsweise viel Rand besser getragen. Das Verhältnis von Masse zu Rand ist am besten bei dünnen, filigranen aber auch insgesamt kleinen Objekten. Dieses Prinzip nutzt der Wasserläufer, er verteilt sein Gewicht gleichmäßig über längere Stücke seiner sehr dünnen, fettigen Beine. Obwohl seine Form fast optimal ist, würde das Verhältnis von Gewicht zu Rand bei einer Vergrößerung des Wasserläufers auf Menschengröße trotzdem so ungünstig, dass er unterginge. Wenn der Mensch also das Prinzip des Wasserläufers nutzen wollte, müsste er nicht große, sondern extrem viele Wasserläuferbeine benutzen. Diese müssten aber zumindest so weit auseinander sein, dass sie einzelne Wasserdellen ausbilden könnten, also zum Beispiel unten an Platten montiert. Wissenschaftler haben so einen Wasserläuferroboter gebaut, der 11 Gramm wiegt. Seine sechs Beinplatten sind insgesamt schon so groß wie ein Teller. Wollte ein Mensch so übers Wasser gehen, bräuchte er Schuhe mit speziellen Sohlen, jede ungefähr so groß wie drei Pkw-Parkplätze.