Großer Frust. Woran liegt es, dass die Schule häufig nicht gelingt?
- 11.11.2016
- Wer den Spiegel-Artikel zu diesem Thema in der Septemberausgabe (36/2016) gelesen hat, weiß bereits die Antwort: „… weil es viel zu wenig gute und zu viele schlechte und faule Lehrer gibt.“ Diese Erkenntnis ist spätestens seit 1995 bekannt, als der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder zu Schülern sagte: „Ihr wisst doch ganz genau, was die Lehrer für faule Säcke sind.“ So einfach ist die Antwort natürlich nicht. Ein Blick in die weiter zurückliegende Geschichte liefert völlig andere ‚Schuldige‘: „Die Jugend (Schüler) von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern … und tyrannisieren ihre Lehrer.“ (Sokrates, 470-399 v.Chr.) Und schließlich: „In der Schule sagt der Lehrer dem Kinde: du sollst nie fluchen, …, und siehe da, kaum ist es aus der Schule in das elterliche Haus getreten, so hört‘s den Vater fluchen, die Mutter zanken … und der zarte Keim des Guten, der … dem jungen Herzen eingepflanzt war, wird mit Füßen getreten und vernichtet.“ (Schulinspektionsbericht aus dem Jahr 1827, Osnabrücker Land). Diesen Zitaten über unfähige Lehrer, lernunwillige Schüler und kontraproduktive Eltern kann dreierlei entnommen werden: Zum einen, dass sich die Klagen über die Trias Lehrer/Schüler/Eltern wie ein roter Faden durch die Geschichte der Schule ziehen, so wie zum Beispiel auch Unterrichtsstörungen untrennbar mit der Institution Schule verbunden sind. Zum anderen, dass in der Schule mit ihren zahlreichen unterschiedlichen Akteuren äußerst komplexe Prozesse ablaufen, um innerhalb von vier Minuten eine seriöse Antwort auf die Frage zu präsentieren. Und schließlich: dass an Lehrer und Schüler seit jeher viel zu große Erwartungen geknüpft wurden und werden. Dieser Blick in die Geschichte der Schule kann dazu beitragen, das aufgeheizte Thema von der ‚häufig nicht gelingenden Schule‘ zu entdramatisieren. Schließlich wird deutlich, dass es sich dabei nicht um ein aktuelles Phänomen handelt, sondern es einfach ‚schulimmanent‘ ist. Welche gesicherten Erkenntnisse aus der empirischen Schul- und Unterrichtsforschung haben wir heute darüber, wann Schule gelingt? Für die aufgeworfene Frage sind drei Fakten wichtig: 1. Das Fachwissen und die Persönlichkeit eines Lehrers haben maßgeblichen Einfluss auf die Lernentwicklung von Schülern. 2. Schüler bringen bestimmte intellektuelle Voraussetzungen mit, die aber beeinflussbar sind, also ausgebaut werden können. 3. Das Elternhaus spielt eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung der Schüler. Damit gehört zum Gelingen von Schule immer ein gutes Zusammenspiel der Trias Lehrer/Schüler/Eltern. Funktionieren kann das nur durch Miteinander, nicht durch Nebeneinander. Lehrer, Schüler und Eltern werden auch künftig das Gelingen der Schule mitbestimmen. Ein Weg, Schule häufiger gelingen zu lassen, ist neben gegenseitigem Respekt und der Wertschätzung einer jeden Gruppe gegenüber den beiden anderen auch das Verabschieden von Klischees, Vorurteilen und übertriebenen Erwartungen, auf die – seit dem Bestehen der Schule – immer wieder gerne zurückgegriffen wird, und zwar von allen beteiligten Akteuren.