Generation Allah. Müssen wir im Kampf gegen den religiösen Extremismus umdenken?
- 13.11.2015
- Generation Allah. Müssen wir im Kampf gegen den religiösen Extremismus umdenken? So lautet die Frage und diese ist zugleich der Titel eines neuen Buches, das im Herbst von dem Berliner Psychologen Ahmat Mansour vorgelegt wurde. Die „Generation Allah“ ist für Mansour ein wesentlicher Teil der „Radikalen“. Diese bilden seiner Auffassung nach eine Pyramidenstruktur mit drei Gruppen. An der Spitze stünden die allseits bekannten Terrororganisationen IS und Al-Qaida. In der Mitte folge die Muslimbruderschaft, zu denen auch explizit der türkische Präsident Tayyip Erdogan gezählt wird. Am Fuß stehe die „Generation Allah“, die eine Basis für den Radikalismus bilde und diese Basis sei nach Auffassung des Berliner Psychologen „breit“. Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten ist das neue Großgruppenmodell „Generation Allah“ nicht belegt und folglich wenig überzeugend. Die aktuellen Daten der deutschen Sicherheitsbehörden zeigen, dass sich unter den nach Syrien ausgereisten jungen Menschen auch viele Konvertiten finden. Hinzu kommt, dass ein großer Teil der radikalisierten Muslime aus eher religionsfernen Familien kommen. Der Begriff ist daher nicht mit der Sachlage in Übereinstimmung zu bringen. Aufgrund der wenigen vorliegenden Daten zu Radikalisierten in Deutschland könnte man in verallgemeinernder Manier auch von der „Generation Bildungsverlierer“ oder der „Generation der Orientierungslosen“ sprechen. Für beides oder auch weitere Konstruktionen lassen sich ohne Schwierigkeiten Belege finden. Gravierender sind die Einsprüche, die unter präventiven Gesichtspunkten gegen Gruppenkonstruktionen formuliert werden können. „Generation Allah“ ist eine Zuschreibung mit eindeutig negativer Konnotation. Zuschreibungen dieser Art konstruieren eine fiktive Gruppe von möglichen Problemträgern. In der konkreten Präventionsarbeit sind solche Zielgruppenbeschreibungen kontraproduktiv, da sie muslimische Jugendliche pauschal mit einem ganzen Bündel an Risikofaktoren belegen. Der Präventionsarbeit in Schule, Jugendhilfe und Gemeinde erweist man mit solchen Gruppenkonstruktionen einen Bärendienst. Die jüngere Forschung im Bereich der Radikalisisierungsprävention zeigt, dass die negative Markierung einer Zielgruppe eine Reihe von negativen Effekten auslösen kann. Zunächst kann konstatiert werden, dass ein Jugendlicher unabhängig von Herkunft, Religion und Bildung sich ungern als ein potentieller Problemträger beschreiben lässt. Geschieht dies und wird die betroffene Person dieser Zuschreibung gewahr, reagiert sie im Regelfall mit einer Verweigerungshaltung gegenüber auch gut gemeinten Präventionsmaßnahmen. Darüber hinaus – und das ist keine Petitesse – kann eine negative Markierung auch zu einer verletzenden Stigmatisierung führen. Müssen wir umdenken? Ja, sollten wir. Ein erster wichtiger Schritt ist es, dass wir auf Begriffe wie „ Generation Allah“ verzichten. Eine seriöse Präventionsarbeit kommt ohne Zuschreibungen aus, die auf mediale Effekte zielen. Sie fokussiert vielmehr die positiven Ressourcen, die auch in problembeladenen Zielgruppen zu finden sind.