Kulturschutzgesetz. Wann ist Kunst wertvoll?
- 13.11.2015
- Das Kulturschutzgesetz ist eine Liste von als wertvoll erachteten Kunst- und Kulturgütern, die vor allem dazu dient, das kulturelle Erbe einer Gesellschaft für die kommenden Generationen zu sichern. Hintergrund sind die Erfahrungen zweier Weltkriege, in denen nicht nur wertvolle Güter (Kunstwerke, Denkmäler, Artefakte) dauerhaft zerstört, sondern durch Annektion und Veräußerung dem Nationalstaat entzogen wurden. 2015 wurde dieses Gesetz im Ansatz erweitert und auch auf Gegenwartskunst übertragen (wobei Werke, die jünger als siebzig Jahre sind und die 300.000 €-Grenze unterschreiten, davon ausgenommen sind). Dies rief den Protest von Sammlern, Kuratoren und auch Künstlern hervor, die sich in ihrer Freizügigkeit massiv eingeschränkt fühlten. Der Kunsthandel sei nicht an Grenzen gebunden und prinzipiell international ausgerichtet. Durch diese Maßnahme würde die Entwicklung des deutschen Kunstmarktes massiv behindert, Sammler sprechen pointiert von einer „kalten Enteignung“. Unabhängig davon, wie man derartige Einlassungen bewertet, lassen sich auch ganz andere Fragen stellen. Damit ist vor allem der Akt der Wertschöpfung durch das Labeling „Kunst“ gemeint. Wodurch kann der Kunstcharakter von Gegenständen fundiert werden und inwiefern sind diese national bedeutsam, sodass sie auf eine Liste gesetzt werden? Warum fehlen die Arbeiten von Paula Modersohn-Becker und warum ist Pablo Picasso nahezu überrepräsentiert? Des Weiteren kann man fragen, wer eigentlich mit solch einer verantwortlichen Aufgabe betraut wird. Auch wenn ein Expertengremium (Kunsthistoriker, Sachverständige, Politiker) zuständig ist, sollte man bedenken, dass gerade Experten sich selten einig sind. Zumindest für die Gegenwartskunst ist es durchaus umstritten, wie sich künstlerische Qualitäten feststellen lassen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass der ökonomische Wert einer Arbeit nicht zwangsläufig mit seiner kulturellen Bedeutsamkeit zur Deckung kommt. Die klassische Unterscheidung von High und Low und eine darauf aufbauende Hierarchisierung von Kulturgütern ist im Zeitalter einer globalisierten Popkultur obsolet. Aber auch der klassische Kanon wird diskursiv weiterentwickelt und es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass es zu gravierenden Verschiebungen und Umwertungen der (Be-)Deutung von Kulturgütern kommen kann. Noch schwerwiegender ist die Problematik, dass eine essenzielle und ideologiefreie Bestimmung dessen, was nationale Kultur sein soll, schlechterdings unmöglich ist. Diese politische Romantik widerspricht den tatsächlichen kulturellen Entwicklungslinien, die sich niemals an nationalen Grenzziehungen orientiert haben. Insofern finden sich in vielen Museen wertvolle Arbeiten, die einer anderen kulturellen Sphäre angehören und dennoch in den nationalen Kanon eingearbeitet wurden. Auch die Problematik der Beutekunst sollte hier angesprochen werden – der internationale Austausch von geraubten Kulturgütern steht erst am Anfang.