Verdi Arie oder Beatles-Song. Wann erzeugt Musik bei uns eine Gänsehaut?
- 13.11.2015
- Wir kennen das Phänomen wohl alle: Beim Hören von Musik werden wir plötzlich von so intensiven Gefühlen ergriffen, dass uns ein unwiderstehlicher Schauer überläuft und sich sogar die kleinen Härchen auf der Haut aufstellen. Wir erleben dann eine musikalisch hervorgerufene Gänsehaut – in der Fachsprache: einen musikalischen ‚Chill’. Musikalische Chills sind seit vielen Jahren Thema in der musikpsychologischen Forschung. Sie sind jedoch nicht leicht zu untersuchen, denn Chills sind außerordentlich individuell: Manche Menschen erleben sie bei Bach, andere hingegen bei Helene Fischer (und keinesfalls umgekehrt)! Bei manchen stellen sich die Härchen am Unterarm auf, bei anderen hingegen am Rücken oder an den Oberschenkeln. Wieder andere erleben intensive ‚innere’ Chills, ganz ohne eine von außen beobachtbare Hautreaktion. Es gibt also weder eine objektiv leicht erfassbare, einheitliche Chill-Reaktion, noch gibt es ein typisches Musikstück, das bei den meisten Menschen einen musikalischen Chill auslöst. Dies alles ist von Mensch zu Mensch verschieden und hängt unter anderem von Persönlichkeitseigenschaften und den individuellen Erfahrungen mit der jeweiligen Musik ab. Trotzdem konnte die Forschung typische musikalische Situationen identifizieren, bei denen viele Versuchspersonen – nicht alle – verstärkt Chills erleben. Dazu gehören zum Beispiel eine plötzliche Steigerung der Intensität durch eine gesteigerte Lautstärke oder üppigere Instrumentation oder der Einsatz der Singstimme nach einer instrumentalen Einleitung. Aber auch Stellen, die den Hörer bewusst überraschen, zum Beispiel wenn es als Höhepunkt einer großen Steigerung wider Erwarten plötzlich ganz leise wird. Aber, was ist ein Chill überhaupt? Wieso erleben wir eigentlich diese besondere Reaktion auf Musik? Auch hierauf gibt es keine einfache Antwort. Manche Theorien sehen den musikalischen Chill im Zusammenhang mit uralten, tief in uns verwurzelten Kampf-oder-Flucht-Reaktionen auf emotional stressende Situationen: Wie uns auch im dunklen Keller ein Schauer überläuft und sich die Haare aufrichten (um uns im möglichen Kampf größer erscheinen zu lassen), so könnte etwas Ähnliches eben auch bei emotional tief berührender Musik der Fall sein. Diese Erklärung übersieht jedoch einen wesentlichen Punkt: Musikalische Chills haben nichts Unangenehmes, sondern fühlen sich warm, wohlig und lustvoll an. Chills sind schön! Was also sind Chills? Das Hören von Musik ist eng mit dem Emotions- und Belohnungszentrum des Gehirns verbunden, dem Limbischen System. Musik ist zudem ein elementares Grundbedürfnis des Menschen, das uns geistig, emotional, körperlich erfasst und dabei tiefe Empfindungen auslöst. In alldem ähnelt Musik einem anderen Grundbedürfnis: Musik und Sex haben vieles gemeinsam! Wenn aber Musik hören ein bisschen wie Sex ist, dann sind Chills ...? Richtig: Chills kann man als eine Art musikalisch erzeugten ‚Haut-Orgasmus’ betrachten! Wenn Sie also einen Chill haben: Freuen Sie sich und genießen Sie ihn!