Teenie-Hirn. Warum werden pubertierende Jugendliche so rebellisch?
- 13.11.2015
- Wenn Sie heute von mir erhoffen, dass ich Ihnen die Ursache für Ihr eigenes rebellisches Verhalten in der Pubertät oder für das Ihrer Kinder und Enkel nenne, so muss ich Sie leider enttäuschen. Ich werde aber stattdessen auf drei wichtige Bereiche eingehen, die zu den Verhaltensänderungen beitragen, die wir als „rebellisches Verhalten“ zusammenfassen. Die Pubertät ist ohne Zweifel eine Phase deutlicher biologischer und auch psychologischer Veränderungen mit erhöhter Plastizität, also Veränderbarkeit, im Gehirn und auch mit erhöhter Vulnerabilität, also Störanfälligkeit. 1. Zunächst zur Hirnreifung und -entwicklung: Der Bereich unseres Gehirns, in dem gerade in der Pubertät und bis ins frühe Erwachsenenalter noch Reifungsprozesse stattfinden, ist der sogenannte präfrontale Cortex im Vorderlappen unseres Gehirns. Dieser und die hier wirkenden Botenstoffe sind wichtig für Handlungskontrolle und -planung, für die willentliche Hemmung störender Impulse, für die Kontrolle riskanten Verhaltens und die Empfänglichkeit für Belohnung. Er ist auch bedeutsam für die Regulation von Emotionen, die Entwicklung des Selbstkonzepts und die Einschätzung sozialer Situationen. Erst im frühen Erwachsenenalter ist hier unter anderem die sogenannte Myelinisierung abgeschlossen: Das ist die Ummantelung der Fortsätze der Nervenzellen mit einer fetthaltigen Schicht. Sie isoliert die Nervenzellen untereinander und erhöht deren Leitungsgeschwindigkeit. Es ist plausibel, dass Handlungskontrolle, Planen und Emotionsregulation in der Pubertät noch unvollständig sind und die Abstimmung mit Regeln der sozialen Umwelt noch erfolgen muss. 2. Die Pubertät ist durch den abrupten Anstieg in der Freisetzung von Geschlechtshormonen gekennzeichnet, das heißt vor allem von Testosteron bei männlichen und Östrogen bei weiblichen Jugendlichen. Geschlechtshormone sind nicht nur wichtig für die Ausbildung sekundärer Geschlechtsmerkmale und sie haben nicht nur aktivierende Einflüsse auf das Sexualverhalten. Sie wirken auch auf Hirngebiete, die für Lernen, Gedächtnis, Angst, riskantes Verhalten und Stress bedeutsam sind. So zeigte sich etwa ein positiver Zusammenhang zwischen dem Ausmaß riskanten Verhaltens und der Höhe des Testosteronspiegels bei männlichen bzw. des Östrogenspiegels bei weiblichen Jugendlichen. 3. Dabei müssen auch soziale Faktoren beachtet werden wie die Anwesenheit von Anderen. Dies geht zum Beispiel aus einer Studie hervor, in der riskantes Autofahrverhalten in einem Videospiel in drei Gruppen untersucht wurde: bei pubertierenden Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Erwachsenen. Dabei wurde variiert, ob das Spiel in Anwesenheit gleichaltriger Peers oder aber allein stattfand. Die Anwesenheit Gleichaltriger führte nur bei den Jugendlichen zu einer starken Begünstigung des riskanten Verhaltens. Zu beachten ist, dass jeder der Faktoren nicht nur einzeln wirkt, sondern auch ihre Kombination wichtig ist – also noch viel Raum für biopsychologische Forschung.