Chlorhünchen, Genmais, Schiedsgerichte. Wozu brauchen wir ein Freihandelsabkommen?
- 14.11.2014
- Die Volkswirtschaftslehre ist sich in so manchen Bereichen nicht einig: Sind die Staatsausgaben zu groß, oder sind sie zu klein? Sind die Zinsen zu hoch oder sind sie zu niedrig? Zu vielen Positionen ließen sich anerkannte Wissenschaftler finden, die Gegenteiliges für richtig halten. 2013 wurde sogar der Nobelpreis gleichzeitig an zwei Kollegen vergeben. An einen der bewiesen hatte, dass die Finanzmärkte rational sind – und einen anderen, der bewies, dass sie es nicht sind. Eine bemerkenswerte Ausnahme von dieser Regel ist die Handelspolitik: Einstimmig vertreten Wissenschaftler weltweit die Auffassung, dass freier Handel die Wohlfahrt der Länder verbessert und dass die Handelsbeschränkungen zu hoch sind. Das betrifft Importzölle genauso wie Export-Subventionen oder quantitative Restriktionen. Die Vorteile des freien Handels bestehen darin, dass die Konsumenten niedrige Preise zahlen, weil die Konkurrenz unter den Firmen Kartelle und Monopole aufbricht. Sie liegen weiterhin darin, dass sich die Länder auf ihren relativen Vorteil spezialisieren und dass Skaleneffekte auftreten, wenn man in größerer Stückzahl günstiger produzieren kann. Das »Transatlantisches Freihandelsabkommen«, oder »Transatlantic Trade and Investment Partnership« im Englischen, kurz TTIP, soll den Handel zwischen Europa und den USA erleichtern. Es wird derzeit auf Arbeitsebene von Diplomaten der EU-Kommission und der US-Regierung verhandelt und soll diesen Herbst offiziell vorgestellt und ratifiziert werden. Zollschranken werden darin abgebaut und der Zugang zu den Märkten erleichtert. Eine Schwierigkeit an solchen Handelsabkommen besteht oft darin, dass nicht-tarifäre Handelshemmnisse außer Acht gelassen werden. Zum Beispiel werden oft diejenigen Güter besonders hoch besteuert, die im eigenen Land nicht produziert werden. Oder es werden Produktstandards festgelegt, die die ausländischen Güter nicht erfüllen. Als Japan zum Beispiel vor einigen Jahren ein Freihandelsabkommen bezüglich der Exund Importe von Autos mit Frankreich abschloss, legte die japanische Regierung kurz darauf fest, dass alle Autos nur in einem kleinen Zollamt südlich von Tokio abgefertigt werden dürfen. Die wenigen Beamten dort waren komplett überfordert, schafften nur wenige Autos am Tag und setzten somit das Freihandelsabkommen faktisch wieder außer Kraft. Aus meiner Sicht handelt es sich in den Diskussionen um Genmais und Chlorhühnchen etc. um genau solche nicht-tarifären Handelshemmnisse. Die Kritik ist überzogen, und es spiegelt sich darin nicht nur die Sorge um das Wohl der Bürger wider, sondern auch der Wunsch nach einer Ausschaltung der ungeliebten Konkurrenz aus den USA. Eine klare Kennzeichnungspflicht würde zum Beispiel schon reichen den Konsumenten die Wahl zu lassen, ob sie diese Produkte kaufen wollen oder nicht. Dennoch kann man die Handelspolitik der EU kritisieren. Die Handelsgewinne sind immer dann besonders groß, wenn die Länder sich unterscheiden. Wenn zum Beispiel kapitalintensiv produzierende Länder wie Deutschland Handel treiben mit Ländern, die arbeitsintensive Güter oder Rohstoffe exportieren. Die USA sind in ihrer Struktur der EU jedoch recht ähnlich. Die Vorteile wären wesentlich größer, würde auch ein vergleichbares Freihandelsabkommen mit Russland, China oder Indien abgeschlossen. Handel mit diesen Ländern würde zu beiderseitigem Vorteil Handelsgewinne erzeugen und – als Nebeneffekt – vielleicht auch die politischen Beziehungen verbessern.