Das Navi im Gehirn. Wie können wir uns in einer komplexen Umgebung orientieren?
- 14.11.2014
- Ein Spaziergang in einer neuen oder bekannten Umgebung erfordert Höchstleistungen von unserem Gehirn, denen wir uns nicht bewusst sind. Es kartiert fortlaufend unsere Position und erschafft dadurch eine innere Karte, mit der wir wissen, wo wir sind und an welchen Landmarken wir uns orientieren können. Für die Aufklärung, wie unser Gehirn dies genau umsetzt, erhielten in diesem Jahr die Wissenschaftler John O'Keefe sowie May-Britt und Edvard Moser den Nobelpreis für Medizin. Dazu lokalisierten sie das Navi im Kopf, unserem Hippocampus. Sie fanden heraus, dass in diesem kleinen Teil des Gehirns, bestehend aus circa 60 Millionen Nervenzellen, zwei Aufgaben ausgeführt werden. Die erste Aufgabe entspricht dem Merken und Wiedererkennen von Positionen. Dazu lernen einzelne Zellen im Hippocampus sich genau einen Platz in einer Umgebung zu merken und nur dann aktiv zu sein, wenn wir an diesem Ort eintreffen. Eine Wegbeschreibung entspricht damit einer Reihenfolge von Wegmarken. Also, zum Beispiel für meinen Weg zur Arbeit: Aus der Tür, links zum Weg, dann zur Straße, an der Kreuzung geradeaus, an der Nächsten links usw. Auch wenn dies im Prinzip ausreicht, von A nach B zu kommen, so kann man sich vorstellen, dass es nicht sehr effektiv ist. Denn diese Beschreibung eines Weges ist oft lang sowie fehleranfällig und hat keine Struktur, die uns erlaubt zu wissen, wo auf einer Karte wir uns befinden oder was in unserer Nähe ist. Es wäre also nützlich sagen zu können, an der Kreuzung, die in der Nähe des Stadthauses ist, musst du rechts. Der Bezug auf bekannte Wegmarken erlaubt uns also zu wissen, wo wir uns auf einer Karte befinden, damit eine Übersicht zu erlangen ist. Und genau diese Funktion wird von der zweiten Art von Nervenzellen im Hippocampus umgesetzt. Dazu lernen einzelne Zellen unsere interne Karte in ein Koordinatensystem aufzuteilen, welches aus Sechsecken besteht. Diese Sechsecke erlauben es den Zellen, einzelne Abschnitte unserer internen Karte zu unterscheiden, ähnlich den Koordinaten auf Landkarten oder den Namen der Felder eines Schachbrettes. Dadurch können wir nun komplexe Navigationsaufgaben lösen, bei denen wir zum Beispiel auf Stadtteile und –viertel Bezug nehmen können. Für meinen Weg zur Arbeit bedeutet dies, dass ich den Weg mit deutlich kürzeren Kombinationen aus Landmarken und Koordinaten beschreiben kann: Aus der Tür links zum Weg, dann der Straße bis Hellern folgen, nach der Autobahn links hoch zum Westerberg. Nun wissen wir, welche Nervenzellen was machen. Heißt das denn auch, dass die Menschen besonders gut navigieren können, die besonders viele dieser Zellen im Hypocampus haben? Ja und nein. Es wurde gezeigt, dass Taxifahrer in London, die häufig komplexe Navigationsaufgaben ausführen müssen, einen größeren Hypocampus haben als Vergleichspersonen im gleichen Alter. Unser Gehirn reagiert also auf intensive Nutzung mit einer Zunahme des Volumens dieser notwendigen Gehirnstruktur, so wie wir es beim Training unserer Muskulatur vom Sport kennen. Allerdings heißt dies nicht, dass Taxifahrer mehr Nervenzellen im Hypocampus haben. Vielmehr wächst die Stärke der Verbindungen zwischen den Zellen sowie das Volumen der Glia-Zellen, also der Zellen, die unsere Nervenzellen bei der Arbeit unterstützen und mit Energie versorgen.