Scheitern, verlieren, versagen. Warum verarbeiten wir Misserfolge unterschiedlich?
- 14.11.2014
- Menschen unterscheiden sich darin, wie sehr sie sich Misserfolge zu Herzen nehmen. Für die einen ist es nicht weiter schlimm, auch mal zu scheitern. Sie nehmen Misserfolg zum Ansporn, es beim nächsten Mal besser zu machen. Für die andern ist es eine Katastrophe, die sie mit allen Mitteln zu verhindern versuchen. Dieser Versuch macht es aber im Grunde noch schlimmer. Er führt in einen Teufelskreis, der die Furcht vor Misserfolg verstärkt und aufrechterhält. Das Problem beginnt bereits mit der Zielsetzung. Um Misserfolgserlebnisse zu verhindern, neigen Misserfolgsängstliche dazu, ihre Ziele unrealistisch niedrig oder unrealistisch hoch zu stecken. Setzt man sich nämlich Ziele, die weit unter dem liegen, was man leisten kann, droht erst gar kein Misserfolg. Setzt man sich viel zu schwierige Ziele, ist der Misserfolg weniger schmerzhaft, weil man das Scheitern der Schwierigkeit der Aufgabe zuschreiben kann. Auf den ersten Blick ist diese Strategie also geeignet, Misserfolgserfahrungen zu verhindern. Unglücklicherweise hat man dabei aber auch keine Erfolgserlebnisse. Zu schwierige Aufgaben gelingen erst gar nicht, und das Gelingen zu leichter Aufgaben wird nicht als Erfolg gewertet. Ist die Aufgabe erledigt, kann man für deren Gelingen oder Misslingen unterschiedliche Ursachen ausmachen. So kann man einen Erfolg zum Beispiel auf seine Fähigkeit, seine Anstrengung oder auf Glück zurückführen, Misserfolg hingegen auf seine Unfähigkeit, mangelnde Anstrengung oder unglückliche Umstände. Misserfolgsängstliche setzten auch hier wieder eine Strategie ein, die Misserfolgserlebnisse wahrscheinlich und Erfolgserlebnisse unmöglich macht. Misslingt eine Aufgabe, führen sie dies auf ihre mangelnden Fähigkeiten zurück. Gelingt die Aufgabe, machen sie glückliche Umstände dafür verantwortlich. In der Konsequenz schämen sie sich für ihre Misserfolge, ohne sich über ihre Erfolge freuen zu können. Dies führt zu einem negativen Selbstwertgefühl, das auf lange Sicht die Furcht vor Misserfolg und somit die genannten ungünstigen Strategien weiter verstärkt. Menschen, die Misserfolge gut verarbeiten können, setzen sich dagegen realistische Ziele und führen Erfolge auf ihre Begabung oder Anstrengung und Misserfolge auf unglückliche Umstände oder mangelnde Anstrengung zurück. Sie wenden damit Strategien an, die das Selbstwertgefühl stärken, da sie Erfolgserlebnisse ermöglichen und Misserfolgserlebnisse abmildern. Der Grundstein für diese unterschiedlichen Strategien wird bereits im Alter von drei bis fünf Jahren gelegt. Studien haben gezeigt, dass Misserfolgsängstliche häufig nicht altersangemessen, sondern zu früh oder zu spät zum selbstständigen Handeln angehalten wurden. Wahrscheinlich spielen auch die Rückmeldungen eine Rolle, die Kinder nach Erfolg und Misserfolg bekommen. Rückmeldungen, die Fähigkeiten für Erfolg und Misserfolg verantwortlich machen, gehen eher mit späterer Misserfolgsfurcht einher als Rückmeldungen, die sich auf Anstrengung und Strategien beziehen.