Digitale Demenz. Machen digitale Medien dick, dumm, aggressiv und einsam?
- Frank Ollermann
- 14.11.2014
- Das sind ja gleich vier Fragen auf einmal! Zunächst einmal zum Begriff Digitale Demenz: Digitale Demenz ist kein wissenschaftlicher Fachbegriff, sondern eine bestenfalls populärwissenschaftliche Wortschöpfung, die unter anderem dazu geeignet ist, Menschen, insbesondere Eltern, zu verunsichern. Ob das nun beabsichtigt ist oder nicht, sei jetzt mal dahingestellt. Aber kommen wir zur eigentlichen Frage: Machen digitale Medien dick, dumm, aggressiv und einsam? Dazu ein paar Gedanken: Erstens: Es gibt eine riesige Vielfalt an digitalen Medien und Nutzungsmöglichkeiten: Digitales Fernsehen, digitales Radio, das Internet, Smartphones, aber auch E-Books oder elektronische Lernangebote an Hochschulen seien hier nur als Beispiele genannt. Allein schon diese Vielfalt verbietet es, pauschal von »den« digitalen Medien zu sprechen. Man muss da schon genauer hinschauen. Zweitens: Neben dem Medium selbst kommt es auf den Medieninhalt an. Nehmen wir einmal das Internet als ein Beispiel heraus: Natürlich gibt es da, wie im echten Leben, dunkle Ecken, von denen Sie sich besser fernhalten. Aber Sie finden im Internet eben auch leckere Kochrezepte, Sie finden da Ihre Lieblingsmusik, Sie finden da Videoaufzeichnungen vom Osnabrücker Wissensforum. Es wäre also völlig absurd, zu erwarten, dass »das Internet« pauschal eine bestimmte gleichförmige und vorhersagbare Wirkung auf seine Nutzer hat. Drittens: Es kommt auch auf die Hintergründe und individuellen Beweggründe an, aus denen heraus digitale Medien genutzt werden. Dazu wiederum ein Beispiel: Wenn jeder, der »Ballerspiele« – sogenannte Ego-Shooter – spielt, automatisch chronisch aggressiv würde, dann wären wir ein Volk von Gewalttätern. Sind wir aber nicht, denn die meisten Spieler sind ganz normale und friedliche Menschen, die sehr wohl zwischen dieser virtuellen Spielewelt und der Realität unterscheiden können. Es gibt aber natürlich auch einige, die vielleicht mit einer ungünstigen familiären Vorgeschichte belastet sind und mit solchen Spielen ihre unterdrückten Gewaltfantasien ausleben wollen. In solchen Fällen können Gewalt darstellende Spiele sicherlich dazu beitragen, einen schon bestehenden Schaden zu vergrößern. Es gibt noch eine Reihe weiterer Randbedingungen, auf die es ankommt, wenn es um die Wirkung digitaler Medien auf den Menschen geht. Ich fasse mal zusammen: In der wissenschaftlichen Forschung finden sich sowohl Befunde für negative Effekte als auch für Nicht Effekte als auch für positive Effekte des Konsums elektronischer Medien. Das ist übrigens auch ein Grund dafür, dass man ganze Bücher schreiben kann, in denen es – selbstverständlich unter Rückgriff auf wissenschaftliche Forschungsergebnisse – ausschließlich um die möglichen negativen Effekte geht. Man muss sich eben nur die passenden Forschungsergebnisse heraussuchen. Ein allgemein negativer Effekt digitaler Medien auf den Menschen lässt sich wissenschaftlich jedenfalls nicht nachweisen. Und selbst wenn, wäre es ja auch nicht sonderlich hilfreich, mit solch alarmierenden Thesen für Verunsicherung zu sorgen: Digitale Medien gibt es, und es wird sie auch weiterhin geben – ob man ihnen nun skeptisch oder begeistert gegenübersteht. Insofern bleibt uns ohnehin nichts anderes übrig, als mit ihnen zu leben, sie sinnvoll zu nutzen und unseren Kindern einen vernünftigen und gesunden Umgang mit ihnen zu vermitteln, sie also vor möglichen Gefahren zu schützen, ihnen aber auch die vielen Potenziale digitaler Medien zu vermitteln, die in der öffentlichen Diskussion meist zu kurz kommen. Oder, um der Ausgangsfrage einmal eine optimistische Perspektive entgegenzusetzen: Digitale Medien können auch schlank, schlau, ausgeglichen und gesellig machen.