Der Online-Professor. Wie verändern MOOCs die akademische Lehre?
- 15.11.2013
- Wofür steht die Abkürzung MOOC? Für Massive Open Online Course. Gemeint ist damit ein selbstständig ablaufender Selbstlernkurs im Internet für sehr, sehr viele Teilnehmer. Der Begriff wurde eingeführt von Professor Sebastian Thrun, der im Jahr 2011 seine Vorlesung an der Stanford University erstmalig im Studio aufnahm, interaktive Übungsaufgaben hinzufügte und das Ganze auf einer Webseite als MOOC veröffentlichte. Die Reaktion war umwerfend: Innerhalb weniger Wochen hatten sich 160.000 Teilnehmer in den Kurs eingeschrieben. Thrun kündigte seinen Job an der Stanford University und gründete die Firma Udacity. Inzwischen hat Udacity eine Million Studierende. Die Teilnahme ist kostenlos, bezahlt wird nur eine moderate Abschlussgebühr. Dieser so genannte Bildungstsunami ist nun auch nach Europa geschwappt, und ich selbst bin seit einigen Wochen mit der Produktion des MOOC »Algorithmen und Datenstrukturen« befasst, der ab Frühjahr 2014 auf der Internet-Plattform iversity abgerufen werden kann. Wie sehen die Bestandteile aus? Zunächst einmal gibt es pro Woche mehrere Videosequenzen von etwa sechs bis neun Minuten Länge, die im Fernsehstudio der Universität aufgenommen werden. Nach jeder Sequenz folgt ein Multiple-Choice-Quiz, bei dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nachweisen sollen, dass sie das gerade gesehene Material verstanden haben. Einmal pro Woche gibt es ein Aufgabenblatt, das zu Hause schriftlich gelöst werden muss. Bestehen dazu Fragen, so können sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an ihre Mitstreiter wenden. Die erarbeitete Lösung wird dann auf den Server von iversity hochgeladen und von dort an fünf zufällig ausgewürfelte Kursteilnehmer weitergereicht, die das Aufgabenblatt kommentieren und bewerten müssen. So etwas nennt sich Peer Review und auf diese Weise bleibt jeder über seinen Leistungsstand auf dem Laufenden. Wochen später: Wer möchte, meldet sich gegen Zahlung einer Abschlussgebühr von 129 Euro zur Prüfung an, fährt nach Osnabrück, setzt sich in einen großen Hörsaal und schreibt eine konventionelle Abschlussklausur mit Papier und Bleistift. Diese Klausur wird von echten Menschen korrigiert und benotet. Das Ergebnis wird inklusive eines Nachweises über den Arbeitsaufwand (Workload) in ECTS-Punkten auf einem Zertifikat bescheinigt. Und eines Tages werden die erfolgreichen Prüflinge diesen Schein im Prüfungsamt ihrer Universität einreichen und dann auch hoffentlich anerkannt bekommen. So weit der Plan. Ist es ein guter Plan? Nicht für alle, aber für manche Studierenden schon. Als ich studierte, machten zehn Prozent eines Jahrgangs Abitur, heute sind es fast 50 Prozent. Und diese 50 Prozent sind deutlich bunter als bisher. Unter ihnen befinden sich alleinerziehende Mütter, Studierende mit Behinderung, Studierende, die tagsüber Taxi fahren, Studierende mit Sprachschwierigkeiten, kurzum, eine sehr heterogene Mischung von Menschen, für die eine Vorlesung im Audimax dienstags um 10 Uhr nicht unbedingt ein geeignetes Angebot darstellt, für die aber ein MOOC mit zeit- und ortsunabhängiger Arbeitsweise der Schlüssel zum Erfolg sein könnte.