Depressionen. Warum erkranken Frauen doppelt so häufig wie Männer?
- 23.11.2012
- Studien zeigen, dass das Risiko, während des Lebens an einer Depression zu erkranken, bei Frauen bei ca. 25 Prozent liegt, während es bei Männern jedoch nur gut zwölf Prozent beträgt. Dieser Geschlechterunterschied besteht jedoch nicht von Anfang an: Bei Kindern ist das Verhältnis noch ausgeglichen – die Unterschiede zwischen Frauen und Männern in der Häufigkeit depressiver Erkrankungen treten erst ab der Pubertät auf. Woran liegt es nun, dass bei Frauen häufiger Depressionen diagnostiziert werden als bei Männern? Erst einmal stellt sich die Frage, ob Frauen tatsächlich häufiger an Depressionen erkranken als Männer – oder aber, ob sie lediglich eher eine Depressionsdiagnose erhalten, weil es Frauen leichter fällt, über depressive Symptome zu berichten oder sich wegen einer Depression in Hilfe zu begeben. Wenn Frauen nicht nur häufiger eine Depressionsdiagnose erhalten, sondern tatsächlich auch öfter von Depressionen betroffen sind, könnte das verschiedene Ursachen haben. Im Kontext biologischer Faktoren wurde beispielsweise der Einfluss weiblicher Geschlechtshormone auf das Gehirn erforscht: So beeinflusst zum Beispiel das Hormon Östrogen die Freisetzung des Botenstoffes Serotonin, welcher wiederum Effekte auf die Stimmung hat. Darüber hinaus haben die Geschlechtshormone auch einen Einfluss auf Stresshormone, zum Beispiel Cortisol. Dies hat zur Folge, dass das Stresssystem von Frauen bereits bei schwächeren Belastungen intensiver reagiert als das von Männern. Aus der psychologischen Perspektive ist zum einen relevant, dass Frauen doppelt so häufig Traumata aufgrund von sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind als Männer. Zum anderen ist das Selbstkonzept von Frauen oft stärker an zwischenmenschlichen Aspekten orientiert, wodurch Frauen abhängiger von der Nähe zu anderen Menschen sind und Schwierigkeiten in diesem Bereich sie eher »aus der Bahn« werfen. Aus sozialer Sicht kann man festhalten, dass Frauen in unserer Gesellschaft häufiger chronischen Belastungen ausgesetzt sind als Männer, zum Beispiel durch ein höheres Armutsrisiko oder die häufige Doppelbelastung durch Beruf und Kindererziehung bzw. Haushaltsführung. Die gravierendste Folge einer Depression ist das deutlich erhöhte Suizidrisiko – auch hier gibt es Geschlechtsunterschiede: Während Frauen fast dreimal häufiger Suizidversuche unternehmen als Männer, liegt die Rate der vollendeten Suizide bei Männern fast dreimal höher als bei Frauen. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass Männer häufig härtere Suizidmethoden wählen als Frauen. Die Herausforderung der Zukunft liegt nun darin, diese einzelnen Puzzleteile zu einem Gesamtmodell zusammenzuführen. Ein solches Modell sollte die Grundlage für die Weiterentwicklung effektiverer Behandlungsmaßnahmen für diese häufigste aller psychischen Erkrankungen darstellen.