Selbstheilende Materialien. Science Fiction oder Zukunftstechnologie?
- 23.11.2012
- Zurzeit werden drei Strategien erforscht, um Materialien selbstreparierend zu gestalten. Im ersten Ansatz erzeugt man mikroskopisch kleine, vorzugsweise miteinander verbundene Hohlräume im Material, die mit einer »Reparaturflüssigkeit« gefüllt sind. Wird das Material beschädigt, dann strömt diese Flüssigkeit in den Riss, füllt ihn aus und härtet durch den Kontakt mit Luft oder Feuchtigkeit aus. Diese Methode ermöglicht aber nur eine beschränkte Anzahl von Selbstreparaturen, zudem schwächen die Hohlräume das Material. In der zweiten Strategie verzichtet man auf flüssige Anteile und versieht die Moleküle, aus denen das Material besteht, mit chemisch reaktiven Gruppen, die sich im unbeschädigten Zustand nicht berühren, oder wählt Strukturen, die sich nach Zerstörung neu bilden können. Tritt eine Beschädigung ein, dann verändern die einwirkenden Kräfte Position und räumliche Anordnung aller Moleküle in der Umgebung der Schadstelle. Dadurch können sich die Reaktivgruppen berühren und miteinander verbinden, die zerstörten Bindungen werden durch neu entstandene ersetzt. Ohne störende Hohlräume kann man Materialien mit hoher Festigkeit erzeugen, dafür ist aber die Größe der reparierbaren Schadstellen sehr stark eingeschränkt. Die Risse müssen kleiner als die Moleküldurchmesser sein. Um diese Nachteile zu vermeiden, ersetzen Vertreter des dritten Weges die festen chemischen Bindungen, welche die Moleküle aneinanderhalten, durch eine möglichst große Anzahl von schwachen, aber »reversiblen« Wechselwirkungen. Diese Bindungen öffnen und schließen sich ununterbrochen. Das Material hält zusammen, weil stets genug Bindungen gleichzeitig geschlossen sind. Wird ein solches System zerrissen, dann lösen sich so viele der schwachen Bindungen gleichzeitig, dass sich die Substanz in der Umgebung der Schädigung verflüssigt und Risse und Hohlräume verschließt. Sobald die einwirkenden äußeren Kräfte verschwinden, bilden sich die schwachen Bindungen wieder aus, das Material ist wieder fest und der Schaden repariert. Der im Straßenbau eingesetzte Asphalt, ein Komposit aus Gestein und Bitumen, ist ein technisch eingesetztes, selbstreparierendes Material, weil das fließfähige Bitumenbindemittel Mikrorisse repariert. Weitere selbstheilende Materialien sind noch nicht kommerzialisiert, denn ihre Herstellung erfordert einen hohen Aufwand, weshalb sie preislich nicht mit Massenkunststoffen, Beton oder Stahl konkurrieren können. Ihr Einsatz wird in absehbarer Zukunft auf Hochpreissegmente beschränkt sein. Denkbare Anwendungen sind Lacke, Anstriche, Beschichtungen sowie selbstreparierende Leiterbahnen in elektronischen Geräten, weil einerseits nur geringe Kräfte auf die Materialien einwirken und zum anderen der Markt hier höhere Preise toleriert.