Angst ums Geld. Wie ist die europäische Gemeinschaftswährung langfristig zu retten?
- 11.11.2011
- Die langfristigen Auswirkungen der Europäischen Schuldenkrise werden in der Öffentlichkeit und bei den politischen Entscheidungsträgern noch immer stark unterschätzt. Man verliert auch leicht den Überblick, wenn über die Milliardensummen berichtet wird: Der neu geschaffene Rettungsschirm der EU hat zum Beispiel ein Finanzierungsvolumen von 780 Mrd. Euro, das ist mehr als das Doppelte des gesamten Bundeshaushalts. Durch die geplante Hebelung würde das Kreditvolumen auf das Fünffache, also fast 4000 Milliarden Euro, ausgeweitet. Bei der Verwendung dieser Mittel gibt es jedoch leider keine ausreichende parlamentarische Kontrolle und es gibt enorme Fehlanreize bei deren Verwendung. In einem gemeinsamen Aufruf haben sich daher 190 Kollegen der Volkswirtschaftslehre fast geschlossen gegen eine weitere Ausweitung der Rettungsschirme ausgesprochen. Meiner Einschätzung nach ist die Gefahr sehr groß, dass die Währungsunion zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich auseinanderbrechen wird, in einer gleichzeitigen Staats-, Schulden- und Verfassungskrise – und zwar nicht trotz, sondern gerade wegen der Rettungspakete. Was wäre zu tun, um dies noch zu verhindern? Zunächst einmal wäre eine öffentliche Diskussion notwendig, über die Rolle des Rettungsschirms, dessen Schuldenrückkäufe vor allem die Kursgewinne der Gläubiger finanzieren, aber den betroffenen Ländern nicht helfen. Aus genau diesem Grund wurden ähnliche Programme in den 80er-Jahren zur Bekämpfung der Schuldenkrise in Lateinamerika schnell wieder eingestellt. Dann über die Rolle der EZB, die bereits seit 2007 Kredite über das Zentralbankensystem an die betroffenen Länder vergibt. Die Bundesbank allein hat auf diesem Weg bisher über 450 Milliarden Euro verliehen. Auch dies wäre vielleicht vertretbar, wenn den Ländern damit tatsächlich geholfen wäre. Jedoch wird leider in erster Line die Kapitalflucht der Vermögenden in den Krisenländern finanziert, die ihre alten Staatspapiere einfach als Sicherheiten bei der EZB abgeben können und im Gegenzug mit frisch gedrucktem Geld Vermögenstitel in den sicheren Ländern erwerben. Ist die Angst ums Geld also gerechtfertigt? Wer verliert dabei? Es sind nicht, wie häufig befürchtet, die Sparer und Wertpapierbesitzer. Diese sind durch die Rettungspakete weitgehend abgesichert. Auch die Angst vor Inflation scheint unbegründet, da die Menschen das viele Geld der EZB gar nicht ausgeben wollen, sondern postwendend wieder anlegen. Es sind die die öffentlichen Haushalte und alles, was daraus finanziert wird. Die Renten, der Sozialstaat, die öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten und Schulen werden in einigen Jahren die Rechnung bezahlen. Das Steuergeld, mit dem zurzeit die Märkte »beruhigt« werden, wird fehlen, wenn die EZB und der Rettungsschirm gezwungen sind die Verluste abzuschreiben, die heute bereits absehbar sind.