50 Jahre "Gastarbeiter" in Deutschland. Wie kann die Integration noch besser werden?
- FB 01 – Kultur- und Sozialwissenschaften
- Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien
- 11.11.2011
- Die Bundesrepublik bildete in den vergangenen Jahrzehnten eine Drehscheibe im globalen Migrationsgeschehen und erlebte zehnmillionenfache Zu- und Abwanderungen. Die Arbeitsmigration aus den Staaten rund um das Mittelmeer, mit denen die Bundesrepublik seit den 1950er-Jahren Anwerbeabkommen geschlossen hatte, war dabei nur eine unter mehreren großen Zuwanderungen: Zwischen 1955, dem Jahr des Anwerbevertrags mit Italien, und 1973, dem Jahr des Anwerbestopps, kamen 14 Millionen ausländische Arbeitskräfte, mehr als elf Millionen von ihnen wanderten wieder ab. Die fast drei Millionen »Gastarbeiter«, die blieben, zogen in der Folge ihre Familien nach. Allein diese Zahl zeigt, dass dauerhafte Wohnsitznahme nur eine unter mehreren möglichen Ergebnissen des Migrationsprozesses darstellt. Integration ist ein meist unspektakulärer Anpassungsprozess, der Generationen übergreifen kann. Dabei verblassen vorgebliche oder tatsächliche Unterschiede zwischen Zuwanderern und Einheimischen immer weiter – von Identitäten über Sprache bis hin zu beruflichen Qualifikationen. In der Lebenswirklichkeit ist Integration weder für die Zuwanderer noch für die Mehrheit ein Globalereignis einer Anpassung an eine Gesellschaft. Integration bedeutet vielmehr das permanente Aushandeln von Chancen der ökonomischen, politischen, religiösen, rechtlichen oder kulturellen Teilhabe im Alltag. Sowohl Einheimische als auch Fremde integrieren sich dauernd – an einem neuen Arbeitsplatz, in einer neuen Schule oder in einer neuen Kirchengemeinde. Bei Zuwanderern aus einem anderen Land sind allerdings meist die Startbedingungen andere: geringe Kenntnisse der Sprache, spezifischer Qualifikationen, Traditionen usw. können bei der Aufnahme einer Arbeit zu Problemen führen, ein geringes Maß an sozialen Kontakten mit sich bringen oder die Bedingungen in der Schule erschweren – können, nicht müssen, wie unzählige Beispiele rascher Anpassung zeigen. Ob staatliche Programme erheblich zur Förderung der Integration beitragen, ist strittig. Diskriminierende Gesetze sowie politische Debatten und Maßnahmen, die Ausgrenzung fördern, bauen allerdings ebenso Hürden auf, wie z. B. enge politische Bindungen von Zuwanderern an ein Herkunftsland oder ausschließliche Orientierungen an Entwicklungen im Ausgangsraum. Anpassungsbereitschaft der Zuwanderer ist insgesamt ebenso nötig wie Akzeptanz und Toleranz der Mehrheit. Integration findet im Alltag vor Ort statt, ständig.