Künstliche Phtosynthese: Bald Sprit aus Licht?
- 11.11.2011
- Antwort: Jein! Pflanzen und Mikroorganismen fangen Sonnenlicht ein, spalten Wasser und liefern Sauerstoff, den wir atmen, sowie Nahrung, die wir verzehren, und Treibstoff (Sprit) für die Annehmlichkeiten unserer technischen Zivilisation. Ein Mensch nimmt mit der Nahrung eine Leistung von 100 Watt auf. Technisch verbraucht Herr Mustermann in Deutschland jedoch 50-mal, ein Amerikaner 100-mal, und ein weltweiter Mittelmensch 25-mal mehr. Für die Weltbevölkerung, heute sieben Milliarden Menschen, ist dies durch die nachwachsende Biomasse nicht mehr zu decken, sondern nur deshalb, weil Kohle, Erdöl (seit 1920), Erdgas (seit 1940) und Uran (seit 1970) genutzt werden. Nach allen seriösen Schätzungen ist deren Verfügbarkeit jedoch auf 40 bis 200 Jahre begrenzt. Elektrizität und Treibstoffe (Sprit) müssen aus Sonnenlicht erzeugt werden. (1) Kann die Verfügbarkeit und die Effizienz der Sonnenenergie-Nutzung durch Pflanzen und Mikroorganismen wesentlich und nachhaltig gesteigert werden? Die primären photophysikalischen Prozesse in Pflanzen haben einen Wirkungsgrad von etwa 20 Prozent, denselben wie künstliche photovoltaische Zellen. Energiepflanzen auf einem Feld erreichen nur weniger als zwei Prozent. Die Verluste entstehen durch biochemische und physiologische Prozesse auf dem Weg zur Biomasse. Der Spielraum für eine Steigerung des Wirkungsgrads ist leider gering. Weil Biomasse zu Sprit im Tank umgesetzt werden kann, bleibt ihre Herstellung trotz des geringen Wirkungsgrads bedeutsam. Die Forschung konzentriert sich auf Biosprit der zweiten Generation, herzustellen aus Holz, Stroh und solche Energiepflanzen, deren Anbau nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion steht. (2) Wann kommt die künstliche Photosynthese: Sprit aus Licht? Seit vielen Jahren gibt es Versuchsanlagen, in denen durch Kopplung von Wind- oder SolarGeneratoren mit Elektrolysezellen Wasserstoff (»Sprit«) und Sauerstoff mit einem Wirkungsgrad von über zehn Prozent hergestellt wird. Standzeiten und Kosten sind allerdings noch problematisch. Vor einem Monat hat mein Kollege Dan Nocera (Massachusetts Institute of Technology – MIT) nun eine elegante künstliche Photosynthese präsentiert. Er beschichtete eine photovoltaische Silizium-Zelle auf beiden Seiten mit unterschiedlichen Metall-Katalysatoren und erhielt bei Belichtung auf der einen Seite Sauerstoff und auf der anderen Wasserstoff (»Sprit«) mit einem Wirkungsgrad von 2,5 Prozent. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Verfahren bezüglich Aufskalierung, Standzeit, Kosten, Ansprüchen an seltene Materialien der konventionellen Lösung überlegen ist. (3) Wie wird sich die künstliche Produktion von Solarsprit voraussichtlich entwickeln? Die Versorgung der USA und Europas mit Elektrizität ausschließlich aus Wind, Wasser und Sonnenlicht ist technisch ausgereift und finanzierbar. Ausreichende Kapazitäten dafür könnten auch weltweit geschaffen werden. Für die Herstellung von Sprit für den Tank von Fahrzeugen (z. B.: Wasserstoff, Biodiesel, Bioäthanol) sind noch erhebliche technische, ökologische und ökonomische Probleme zu lösen. Dies bleibt eine bedeutende Herausforderung für Wissenschaft und Technik.