Morden für Allah?
Wie gehen wir am effektivsten mit islamischen Fundamentalisten um?
- 13.11.2009
- Das gegenwärtige Islambild der »westlichen« Zivilisation ist bestimmt von Ängsten und Vorbehalten. Häufig wird die Religion des Islam mit terroristischer Gewalt und archaischer Rückständigkeit auf eine Stufe gestellt. Insbesondere die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA haben zu einer irreführenden Gleichsetzung von Islam und Fundamentalismus und damit zur Bildung eines neuen Feindbildes in der »westlichen« Welt beigetragen. Seit 9/11 ist der islamische Fundamentalismus schlagartig in den Mittelpunkt des öffentlichen und fachwissenschaftlichen Interesses getreten und ist den unterschiedlichsten Deutungen in Politik, Wissenschaft und Medien ausgesetzt. In diesem Zusammenhang ist herauszustellen, dass alle Erklärungen, die den Fundamentalismus zum eigentlichen Wesen des Islam erklären, wissenschaftlich unhaltbar sind. Spätestens seit Beginn der 70er Jahre sind fundamentalistische Geisteshaltungen und Strömungen in allen Weltreligionen zu finden. Der Fundamentalismus als eine religiös begründete politische Ideologie ist allgemein als ein kompromissloses Festhalten an politischen und religiösen Grundsätzen zu definieren. Der Fundamentalismus ist als eine selektive Gegenbewegung zur Moderne zu begreifen: Obwohl er ihre technisch-wissenschaftlichen Errungenschaften nutzt, bekämpft er zugleich ihre kulturell-politischen Grundnormen. So werden Pluralismus, Menschenrechte, Demokratie, Toleranz, (sexuelle) Selbstbestimmung etc. als Gefahren für die grundlegenden Prinzipien einer Religion betrachtet und müssen folglich durch absolut gesetzte religiöse Dogmen außer Kraft gesetzt werden. Charakteristisch für den islamischen Fundamentalismus ist eine kritiklose und unreflektierte Rezeption von religiösen Texten, die konsequent jeder modernisierenden Deutung entzogen werden. Dabei bestimmt das kompromisslose Festhalten an religiös-ideologischen Grundsätzen das Handeln, das in erster Linie politische Ziele verfolgt und in Teilen terroristische Gewalt als ein Mittel für ihre Durchsetzung anwendet. Was kann getan werden, um einerseits ungerechtfertigte gesellschaftliche Feindbilder und andererseits den gegen Freiheit und Gleichheit sich abgrenzenden (terroristischen) Fundamentalismus abzubauen? Eine restriktive Prävention alleine kann hier nicht helfen; auch strikte Bestrafung nicht. Solche Maßnahmen sind in einer wehrhaften Demokratie mit rechtstaatlichen Mitteln notwendig und legitim, scheinen jedoch umso sinnloser zu sein, als die Fundamentalisten indoktrinierende Verhaltensweisen zeigen und ihre Opferrolle und das Heilsversprechen im Jenseits offensiv kundtun: »Wir leben den Tod so sehr, wie Ihr das Leben«, sagten die Terroristen des 11. Septembers. Angesichts solcher Äußerungen scheint nur die Aufklärung aus der Binnenperspektive mit genuin religiösen Argumenten weiterzuhelfen, da diese Leute sich rationalen Argumenten zumeist konsequent verschließen. Ein irrationaler Zugang zu vermeintlichen religiösen Wurzeln wird von Fundamentalisten geradezu instrumentalisiert und geschickt genutzt, um gesellschaftliche Konflikte zu kanalisieren. Gerade deshalb bleibt eine religiöse Aufklärung durch eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Islam und seinen Glaubenstraditionen fundamental wichtig. In diesem Zusammenhang darf man nicht den Fehler begehen und religiöses Verhalten von Muslimen mit Fundamentalismus verwechseln oder gar gleichsetzen. Etwa 90 Prozent der Muslime betrachten sich in Deutschland insgesamt als religiös bis sehr religiös. Zugleich betrachten rund 90 Prozent die freiheitlich-demokratische Grundordnung als das beste politische System. Deshalb brauchen wir in Deutschland einen wissenschaftlich reflektierten, authentischen Zugang zu islamischen Quellen. Diese Texte müssen von in Deutschland sozialisierten und ausgebildeten Wissenschaftlern, Imamen und Religionslehrern historisch kontextualisiert und hermeneutisch zugeordnet werden, ein Prozess, der sich auf den islamischen Fundamentalismus langfristig zersetzend auswirken wird.