20 Jahre Mauerfall. Vereint oder doch geteilt?
- 13.11.2009
- Weniger als ein Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer war auch die DDR am Ende. Sie verschwand aber nicht aus der Geschichte. Sie wurde ein Teil der Bundesrepublik. Das ist einer der Gründe, warum die Vereinigung so lange dauert: Wir leben zwar in einem Land, aber mit zwei Vergangenheiten – auch wenn die Teilung äußerlich überwunden wurde. Wo früher die DDR war, ist heute, 20 Jahre nach ihrem staatsrechtlichen Untergang, nichts mehr wieder zu erkennen. Die öffentliche Infrastruktur, Straßen, Schienenwege, bürgerschaftliche Einrichtungen, Häuser, Schlösser und Parks, Hochschulen und Unternehmen sind tatsächlich »erblüht« und erwecken den Anschein eines insgesamt gelungenen Zusammenwachsens. Was also ist das Problem? Mit Ausnahme der Landwirtschaft leiden die meisten Wirtschaftszweige noch immer am Erbe der sozialistischen Planwirtschaft. Abgesehen von einigen mit exportstarken Industrien gesegneten Wohlstandsinseln entwickelten sich große Teile der ehemaligen DDR zur Industriebrache. Insgesamt reicht die Wirtschaftskraft der neuen Bundesländer bei weitem nicht aus, die eigenen Rentner und vielen Arbeitslosen zu unterhalten. Daher sind die Neuen Bundesländer auf absehbare Zeit auf Zuflüsse aus dem Westen angewiesen. Deshalb gibt es auch viele Unzufriedene, nicht nur im Osten sondern zunehmend auch im Westen. Offenbar sind die Erwartungen Vieler enttäuscht worden, die nun Unmut und Zweifel an der Leistungsfähigkeit demokratischer und marktwirtschaftlicher Politik äußern. Während die DDR »abgewickelt« wurde, hat sich das ganze Land verändert. Deutschland wurde nach 1989 insgesamt heterogener und die Verhältnisse weniger berechenbar. Bei fünf starken Parteien im Bundestag und einer bunten Koalitionslandschaft in den Ländern ist Regieren schwieriger als im ZweieinhalbParteiensystem der »Bonner Republik« mit ihren elf Bundesländern. Die »Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse«, wie sie das Grundgesetz vor seiner Novellierung im Jahr 1993 noch gefordert hatte, ist im größer und vielfältiger gewordenen Deutschland zu einem unerreichbaren Ziel geworden. Das Trennende wird, wenn man die Wirtschafts- und Sozialstatistik, Umfragedaten und Wahlergebnisse im Zusammenhang betrachtet, von den Wohlstandsdifferenzen zwischen Ost und West, zunehmend aber auch von der regionalen und sozialen Ungleichheit im Osten selbst bestimmt. Entvölkerung und der Rückzug des Staates aus der Fläche sind dort Entwicklungen, wie wir seit hunderten von Jahren nicht mehr erlebt haben und von denen der Westen weiterhin verschont bleibt. Jeder Versuch, diese Dynamik politisch zu beherrschen, ist bislang gescheitert. Ob es an der Größe, vielleicht sogar Unmöglichkeit der Herausforderung liegt, ob einfach noch mehr Zeit gebraucht wird oder ob die richtigen politischen Konzepte noch nicht gefunden wurden, ist eine Frage, über die auch im 20. Jahr der deutschen Vereinigung noch leidenschaftlich gestritten wird, und auf die auch eine inzwischen ausufernde wissenschaftliche »Vereinigungsforschung« keine schlüssige Antwort finden konnte.