Spurensuche – Ist in der Asche eines Menschen noch DNA?
- 22.11.2022
- Die Desoxyribonukleinsäure (DNS oder auf Englisch DNA für acid) trägt unsere Erbinformation. Mit Ausnahme von einigen Zwillingen ist es praktisch unmöglich, dass zwei Menschen die gleiche DNA-Sequenz haben. Diese Einzigartigkeit und die hohe Stabilität der DNA sind fundamental für die forensische Genetik. Heutzutage kann man aus kleinsten Spuren DNARückstände nachweisen, deren Sequenz ermitteln und so zum Beispiel die Identität eines Menschen bestimmen. Auch der kürzlich vergebene Nobelpreis an Svante Pääbo, der zeigen konnte, dass DNA hunderttausende Jahre überdauern kann, belegt wie mächtig dieser Nachweis ist. Ist es jedoch auch möglich, DNA in der Asche eines Menschen nachzuweisen? Spontan würde man sofort sagen: Nein, natürlich nicht! Denn beim Kremieren eines Menschen herrschen mindestens Temperaturen von 850 °C, das sollte selbst die stabile DNA nicht aushalten. Ein schneller Blick in dieses Internet offenbart jedoch Überraschendes. Es gibt zahlreiche, hauptsächlich US-amerikanische, Angebote, die einen DNA-Nachweis anbieten – aus der Asche von kremierten Menschen. Also scheint die Frage doch nicht so ungerechtfertigt? Copy und Paste? Das geht auch mit DNA! Für einen Nachweis muss man DNA zunächst vervielfältigen. Dies macht man mit der Polymerase Ketten Reaktion (PCR), ein absoluter Standard in biochemischen Laboren. Zunächst wird die DNA auf 90°C erhitzt, was die Einzelstränge trennt – die DNA denaturiert. Bei niedriger Temperatur kann ein Enzym, die Polymerase, jetzt die jeweiligen Einzelstränge kopieren. Danach trennt man Sie wieder und vermillionenfacht die DNA auf diese Weise. Um als nächstes die Identität eines Menschen nachzuweisen ist es nicht nötig, das gesamte Genom zu sequenzieren. Man schaut sich nur bestimmte Bereiche, sogenannte short tandem repeats (STR), an. Ihre Kombination ist individuell genug, um sicher eine bestimmte Person zu identifizieren. Der DNA-Nachweis ist hochsensitiv. Wenn nicht mit äußerster Vorsicht vorgegangen wird, kann es auch zu ungewollten Kontaminationen kommen. Bekannt geworden ist vor allem der Fall des Heilbronner Phantoms. Eine Vielzahl von Straftaten zwischen 1993 und 2009 wurden durch DNA-Tests einer einzigen unbekannten Frau zugeordnet, bis sich herausstellte, dass diese Frau bei der Polizei arbeitete und die von ihr benutzten Wattestäbchen mit ihrer DNA kontaminiert waren. Eventuell hat ein Bediensteter im Krematorium die vermeintlich nachgewiesene DNA verunreinigt? Anorganische Asche – ein cold case für die DNA-Suche? Und was ist Asche? Asche entsteht als anorganischer Rückstand bei der Verbrennung von organischem Material. Sie besteht somit aus Mineralstoffen, vor allem Oxiden und Karbonaten von Metallen. Wenn per Definition nichts Organisches mehr übrig ist, steht es auch schlecht um unsere DNA – oder? Also was ist dran an den Angeboten im Internet? Ich kann mir nicht vorstellen, dass DNA nach der Kremierung mit ihren extremen Temperaturen nachweisbar ist. Bei unsachgemäßer Anwendung könnten winzige Bruchstücke Organisches zurückbleiben – ob das für einen sicheren Nachweis reicht, hängt sicherlich vom spezifischen Fall ab. Kurzum: Ich erhebe doch Zweifel, dass es den US-amerikanischen Unternehmen wirklich möglich ist, aus der Asche eines Menschen DNA zu isolieren und nachzuweisen. Liest man sich einschlägige Angebote genau durch, steht im Kleingedruckten meistens, dass der Nachweis zwar möglich, jedoch sehr unwahrscheinlich sei – und damit steigt bei unserer Suche nach Spuren die Wahrscheinlichkeit, dass es sich hier um eine clevere (oder nicht ganz so clevere) Geschäftsidee handelt.