Distanzunterricht während Corona. Nichts gelernt?
- 12.11.2021
- Mit der Umstellung auf Distanzlernen im Frühjahr 2020 wurden bekannte Wege schulischer Lehr-Lern-Prozesse verlassen: Der Lernort Schule wurde durch digitales Lernen im häuslichen Umfeld ersetzt. Die zentralen pädagogischen Beziehungen haben sich verschoben. Eltern mussten in Teilen in die Lehrer- und Lehrerinnenrolle schlüpfen. Der wichtige Austausch unter jungen Menschen war eingeschränkt. Und Lehrerinnen und Lehrer waren herausgefordert, in Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern zu bleiben. Auch wurden nicht alle Fächer im bisherigen Umfang unterrichtet. Damit Schülerinnen und Schüler in dieser Gemengelage erfolgreich Lernprozesse absolvieren konnten, wurden Motivation und Selbstregulation noch wichtiger. Die Pandemie wurde dabei zum Brennglas und zum Beschleuniger von Ungleichheit in der Gesellschaft. Die bereits Benachteiligten haben die Folgen deutlicher gespürt. Auch wenn nicht pauschal von Lernrückständen gesprochen werden kann, ist eine Tendenz feststellbar. Es wurden zum Beispiel in Mathematik und Lesen negative Auswirkungen gemessen. Es zeigte sich, dass vor allem Schülerinnen und Schüler mit erschwerten Ausgangslagen benachteiligt wurden. Eine erste Erklärung dafür wäre, dass beispielsweise Schülerinnen und Schüler mit Lernproblemen meist Schwierigkeiten in den Bereichen Motivation und Selbstregulation haben. Diese Erklärung reicht aber nicht aus. Erschwerend ist, dass Unterstützungssysteme weggebrochen sind. Gerade Schülerinnen und Schüler mit Lernproblemen benötigen aber unterstützende Beziehungen zu Pädagoginnen und Pädagogen sowie geregelte Strukturen. Auch leben diese Schülerinnen und Schüler überproportional häufig in eingeschränkten Wohnverhältnissen. Die Folgen zeigen sich in den Erhebungen: Für alle Schülerinnen und Schüler war die Krise herausfordernd. Aber vor allem für diejenigen, die schon vorher Schwierigkeiten hatten, wurden die Probleme besonders groß. Mit Blick auf die Schulstandorte lassen sich Parallelen feststellen. Schulen in benachteiligten Lagen waren überproportional von Schließungen betroffen. Gleichzeitig wurde dort die technische Ausstattung schlechter bewertet. Zudem ist daran zu erinnern, dass diese Schulen häufiger von Schülerinnen und Schülern aus prekären Wohnverhältnissen besucht werden. Und eben diese sind im Laufe ihrer Schullaufbahn weniger leistungsstark als Gleichaltrige, die in privilegierten Verhältnissen aufwachsen. Dieses schwierige Zusammentreffen hat sich in der Pandemie verschärft. Patentlösungen gibt es nicht. Wünschenswert – aber leider aufgrund begrenzter Mittel unrealistisch – wäre es, allen Schülerinnen und Schülern in zahlreichen Bereichen individuelle Angebote anzubieten. Bei den Lösungen drohen weitere Wellen sozialer Ungleichheit. Werden beispielsweise freiwillige Unterstützungsangebote bereitgestellt, besteht die Gefahr, dass vor allem privilegierte Schülerinnen und Schüler diese annehmen und davon profitieren. Für ein generelles Zusatzangebot innerhalb der Schule ist Personalmangel eine Hürde. Eine Chance zur Überwindung der Hürden sind lokale Netzwerke, in denen die Bildungsadministration zum Beispiel mit Stiftungen und Universitäten Unterstützung bündelt. Diese Bündelung sollte aber passgenau erfolgen. Daher wurden Schülerinnen und Schüler in Osnabrück zu Auswirkungen der Pandemie sowie zu Bedarfen in der „Muntermacher“-Studie befragt. Aufbauend darauf wurde die Initiative „Bildungsmarathon“ gestartet. Hier unterstützen Lehramtsstudierende Schülerinnen und Schüler als Lernmentorinnen und -mentoren.