Weltklimabericht. Was passiert, wenn das Klimaziel von Paris nicht erreicht wird?
- 12.11.2021
- Die Bedrohungen des Klimawandels haben es einmal wieder geschafft, die Corona-Krise aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Im Sommer war dies schon einmal der Fall. Die Verwüstungen durch Starkniederschläge haben uns in Erinnerung gerufen – der Klimawandel ist längst eingetroffen, und die möglichen Folgen sind beunruhigend. Bei der Konferenz in Glasgow ging es darum, mit entschlossenem politischen Handeln endlich der drohenden Klimakatastrophe entgegenzutreten. Ein neuer Bericht eines internationalen Wissenschaftsnetzwerks (Global Carbon Project) hat aufgezeigt, dass die globalen CO2-Emissionen wieder auf Rekordwerte zusteuern. Bei gleichbleibenden Emissionen wäre das zum Erreichen des Pariser Klimaziels noch erlaubte CO2-Budget schon in 11 Jahren aufgebraucht. Gemäß dem Klimaziel von Paris soll die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden. 1,5 Grad ist doch nicht so unterschiedlich zu 2 Grad oder? Auch ein wenig mehr – 3 Grad – wird schon nicht so schlimm sein. So zu denken wäre fahrlässig. Ein Sonderbericht des Weltklimarates (2019) hat überzeugend dargelegt, dass aufgrund der komplexen nichtlinearen Zusammenhänge im globalen Klimasystem jeder Zehntelgrad zählt. Gerade bei der Zunahme von Extremereignissen wie Starkniederschlägen oder Dürren werden die Anpassungsfähigkeiten von Gesellschaften zunehmend an ihre Grenzen gelangen. Und die regionalen Änderungen können von den globalen Mittelwerten stark abweichen. Das Abschmelzen des Eises in der Arktis führt nicht nur zu einer Erhöhung des Meeresspiegels, sondern kann zu Änderungen in globalen Ozeanströmungen und damit dem globalen Klimasystem führen. Einmal angestoßen, sind solche Prozesse kaum noch zu stoppen. Stellen Sie sich vor, Sie wären unterwegs auf einer Wanderung. Die Weitsicht ist durch Nebel eingeschränkt. Nun erfahren Sie, dass mit Sicherheit auf dem eingeschlagenen Weg ein tiefer Abgrund droht. Bereits in der Nähe wird das Gelände abschüssig und bietet zunehmend weniger Halt. Ein vernunftbegabter Mensch würde die eingeschlagene Richtung hinterfragen und versuchen, einen anderen Weg einzuschlagen. Diese Logik liegt auch den Überlegungen des Klimaziels von Paris zugrunde. Bei einer Erwärmung von 1,5 Grad sind wir nach jetzigen Erkenntnissen noch in einem Bereich, der die Überlebensbedingungen für die menschliche Zivilisation nicht infrage stellt. Werden wir das Klimaziel von Paris erreichen? Meine Einschätzung ist: nein. Wenn die Absichtserklärungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen umgesetzt werden, ist gemäß einem aktuellen UN-Bericht eine Erwärmung von circa 2,7 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts zu erwarten. Bis jetzt sind die Taten immer hinter den Absichtserklärungen zurückgeblieben. Aber jeder Zehntelgrad weniger zählt. Es wäre fahrlässig weiter auf den Abgrund zuzusteuern in der Hoffnung, dass noch kurz vor dem Absturz ein Bremsfallschirm bereitsteht. Es braucht einen Kurswechsel auf globaler Ebene. Das darf uns nicht von nationalen Anstrengungen abhalten – in der Vermeidung des Klimawandels und in der Anpassung an den Klimawandel, der sich nicht mehr vermeiden lässt. Viele Maßnahmen der Anpassung beinhalten eine Abkehr von nicht nachhaltigen Praktiken, die auch ohne Klimawandel notwendig sind. Die Wiederherstellung eines natürlichen Wasserhaushalts eingebettet in ein nachhaltiges und integratives Landschaftsmanagement schützt nicht nur vor Dürren und den Auswirkungen von Starkniederschlägen. Es gibt viel zu tun auf verschiedensten Ebenen und es gilt keine Zeit zu verlieren, um aktiv zu werden.