Kraft der Gedanken. Kann schon die Vorstellung der Bewegung die motorische Leistung verbessern?
- 12.11.2021
- Das „Sich-Vorstellen einer Bewegung“ ist kein neues Phänomen. Es ist bereits lange Gegenstand der Forschung und fand bereits in den 1970er-Jahren Eingang in den Alltag des (Hoch-)Leistungssports. Faszinierend bleibt die Tatsache dennoch: Ist es tatsächlich so, dass, wenn wir uns eine Bewegung vorstellen, wir eine Bewegung durch Vorstellung verbessern und erlernen können? Tatsächlich zeigen Studien und mittlerweile mehrere Meta-Analysen, dass das Sich-Vorstellen einer Bewegung zu Verbesserungen in der Bewegungsleistung führen kann. Mentales Training ist besser als kein Training, wenn auch nicht so wirksam wie praktisches Training. Gerade die Kombination mit praktischem Training ist meist wirksamer als praktisches Training allein. Gilt dies ebenfalls für Kinder und Jugendliche? In einer derzeit von uns durchgeführten Meta-Analyse zeigen wir, dass Verbesserungen durch das Sich-Vorstellen einer Bewegung auch bei jüngeren Menschen möglich sind. Übrigens: Vorstellungstraining führt nicht per se zum Erfolg: Studien haben beispielsweise gezeigt, dass die Vorstellung vom Nicht-Treffen zum Nicht-Treffen führt. Blicken wir in Richtung Therapieerfolge, so lässt sich feststellen, dass Vorstellungstraining auch in der Rehabilitation wirken kann: in der Orthopädie, beispielsweise bei Patienten mit Knieprothesen, in der Neurologie, etwa bei Patienten mit Schlaganfall, und in der Pädiatrie – zum Beispiel bei Kindern mit Koordinationsstörungen. Aber auch hier gilt, dass das Training immer auf Person und Situation angepasst und entsprechend begleitet werden muss, um wirksam sein zu können. Vielversprechend scheint mir Vorstellungstraining aber nicht nur im Leistungssport und in der Rehabilitation, sondern ganz besonders in heterogenen Settings wie das des Breiten- und des Schulsports. So konnten wir kürzlich am Beispiel des Hüftaufschwungs am Reck im Turnen zeigen, dass, wenn sich Schülerinnen und Schüler im Sportunterricht im Rahmen von Bewegungslernen einen erfolgreichen Hüftaufschwung vorstellen und diesen im Rahmen ihrer Vorstellung immer und immer wieder nach bestimmten Vorgaben im Sportunterricht erleben – zusätzlich zu traditionellen methodischen Übungsreihen und den praktischen Übungsanteilen – dass dies zum Erlernen der Bewegung beiträgt, ja sogar in dieser Studie erst zum Lernerfolg führte. Wie ist es möglich, dass Vorstellungstraining wirkt? Keine leichte Frage und es gibt viele mögliche Antworten darauf. Aus Sicht der Neurowissenschaft wissen wir, dass Hirnareale aktiviert werden, wie sie auch bei der praktischen Ausführung einer Übung aktiviert werden. Aus Sicht der Kognitionspsychologie wissen wir, dass insbesondere kognitive Teile der Aufgabe verbessert werden. Aus Sicht der Physiologie wissen wir, dass wir während eines Sich-Vorstellens eine Aktivität direkt im Muskel finden können. Unser Ansatz ist, dass wir Handlungseffekte antizipieren und uns mithilfe des regelmäßigen Sich-Vorstellens von Handlungseffekten (was wir „sehen“, „hören“, „fühlen“ während einer Bewegung) ein Gerüst bauen, dass uns in der Handlungsorganisation unterstützt. Klar ist, dass Vorstellungstraining funktioniert und dass nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche davon profitieren können. Wie es funktioniert, bleibt in Teilen weiterhin rätselhaft. Sich-Vorstellen lohnt sich also, allerdings kommt es auf den Inhalt und die richtige Anwendung an!