Wendige Gejagte. Wie fliegen Fliegen?
- 15.11.2019
- Was bedeutet eigentlich „fliegen“? Fliegen heißt, die Schwerkraft zu überwinden. Dazu muss ein Tier oder ein Flugzeug zunächst für einen hinreichenden Auftrieb sorgen. Abheben alleine reicht noch nicht aus; für einen Vorwärtsflug muss zusätzlich auch der Luftwiderstand überwunden werden. Dazu ist hinreichend Schub (Vortrieb) vonnöten. Flugzeuge und Vögel erzeugen einen Auftrieb durch ihre Flügelform (die Luft strömt auf der Flügeloberseite schneller, ein Sog wird erzeugt), Schub durch Motoren oder durch Muskelkraft, die für den Flügelschlag sorgt. Aber wie fliegen Fliegen? Windkanalexperimente haben gezeigt, dass ein Insektenflügel im Gegensatz zum Vogelflügel nicht genug Auftrieb erzeugt, um eine Fliege oder gar eine gewichtige Hummel zum Fliegen zu befähigen. Aber: Insekten können aufgrund einer speziellen anatomischen Konstruktion eine enorm hohe Schlagfrequenz ihrer Flügel erzeugen. Fliegen schlagen ihre Flügel circa 300 Mal pro Sekunde, Mücken sogar bis zu 1.500 Mal pro Sekunde. Unser Haussperling schafft im Vergleich dazu 13 Schläge pro Sekunde, ein Schwan fliegt mit zwei Flügelschlägen pro Sekunde. Was nun ist die besondere Anatomie, die wir zum Beispiel bei den Fruchtfliegen finden? Im Inneren ihres Körpers arbeiten große Kraftmuskeln, die nicht direkt die Flügel bewegen, sondern den Brustkorb zum Schwingen bringen. Am Brustkorb sind die Flügel über Gelenke befestigt. Wird der Brustkorb durch Muskelkontraktionen in Schwingung versetzt, werden die Flügel so indirekt bewegt. Auf diese Weise sind dann sehr hohe Schlagfrequenzen möglich. Die geschickten Flugmanöver hingegen werden von zusätzlichen Lenkmuskeln ermöglicht, die direkt auf die Flügelgelenke einwirken. Bei der Fruchtfliege sind dies 13 haardünne Lenkmuskeln je Flügel. Insekten erzeugen mit ihren enorm schnellen Flügelbewegungen Luftströmungen, die für einen Auftrieb sorgen. Auftrieb wird vornehmlich an der vorderen Flügelkante erzeugt. Vom strömungstechnischen Gesichtspunkt her gesehen, bewegen sich Fliegen eher wie Helikopter denn wie Flugzeuge. Man kann fast sagen, dass kleine Insekten in der Luft eher „schwimmen“ als dass sie fliegen. Im Vorwärtsflug beschreiben die Flügel einer Fliege die komplizierte Form einer Acht und die Fliege „drückt“ sich sozusagen ab. Die Flugkontrolle wird dann von insgesamt sechs „Piloten“ übernommen; dazu gehören (1) das Gehirn als zentrale Steuereinheit und verschiedene Sinnesorgane am Kopf der Fliege. Hierzu zählen (2) die großen Komplexaugen, (3) kleine Einzelaugen oder Ocelli und (4) Antennen mit Sinnesorganen. Zusätzlich befinden sich (5) Schwingkölbchen (Beschleunigungs- und Geschwindigkeitsmesser) am hinteren Brustkorb und (6) Strömungssensoren am vorderen Flügelrand. Sicherlich haben Sie schon einmal versucht, eine Fliege mit der Hand zu fangen. Das ist überhaupt nicht einfach, da Fliegen exzellente Augen und einen enormen Rundumblick besitzen. Ihre großen Komplexaugen bestehen aus vielen Einzelaugen, bei der kleinen Fruchtfliege beispielsweise setzt es sich aus 700 einzelnen Augen zusammen. Die Sehleistungen sind hervorragend, insbesondere die zeitliche Auflösung. Einige Insekten können über 300 Bilder pro Sekunde auflösen, Menschen maximal 60. Damit kann eine Fliege die sich nähernde Hand wie in Zeitlupe kommen sehen. Nerven geben ihr den Impuls, zu starten. Die Fliege springt erst hoch, dann beginnen die Flügel zu schlagen. Komplexe Flugmanöver sind kein Problem für das Tier und ein Entkommen ist somit (fast immer) gesichert.