Grüner Knopf. Ist das ökologische Siegel Augenwischerei?
- 15.11.2019
- Vaude Green Shape, H & M Conscious, Tchibo Gut Gemacht, C & A Bio Cotton, C & A Wear the Change, Zara Join Life, Mango Committed Collection, IVN Best, Gots, Made in Green, Blue Sign, Cradle to Cradle, EU-Ecolabel, Oeko-Tex Standard 100, Der blaue Engel. Und jetzt der Grüne Knopf! Angesichts dieser Gemengelage an Siegeln müssen wir uns fragen, ob die Textilunternehmen und Politiker gemeinsam die Strategie verfolgen, „If you can’t convince them, confuse them.“ Angetreten ist das vom Bundesentwicklungsminister Gerd Müller initiierte Siegel unter der Prämisse, den Konsumentinnen und Konsumenten als staatliches Textilsiegel im Dschungel der Siegel eine Orientierung zu geben. Ein Blick auf bisherige Initiativen zeigt aber, dass sich die von politischer Seite ins Leben gerufenen Siegel und Bündnisse kaum auf eine nachhaltige Textilproduktion auswirken: etwa das seit 2014 existierende Textilbündnis, in dem sich Unternehmen, Verbände, NGOs, Gewerkschaften und die Bundesregierung zusammengeschlossen haben, um eine nachhaltige Produktion von Textilien und Kleidung zu garantieren. Ein Bündnis, das im Schneckentempo zu seinen ambitionierten Zielen unterwegs ist. Und nun ein weiteres, nicht ausgereiftes Siegel, das sich erst um zwei Teilschritte der gesamten Textilproduktion kümmert: dem Zuschneiden und Nähen sowie dem Färben und Bleichen. Nur das Endprodukt wird geprüft, ob es ohne Einsatz von gesundheits- und umweltschädlichen Substanzen, sozialverträglich und unter Einhaltung der Grenzwerte für Abwasser hergestellt worden ist. Das Siegel wird nur vergeben, wenn die Kleider bereits über ein renommiertes Siegel verfügen und so eine umweltfreundliche und sozial faire Produktion in den genannten Bereichen nachweisen können. Dies sind die von Greenpeace anerkannten Siegel: IVN Best und Gots. Das neue Siegel fungiert also als Dachverband über dem Siegel-Wirrwarr. Über Sinn und Zweck lässt sich streiten. Das größte Manko ist: Die Vorstufen umwelt- und sozialunverträglicher Baumwollanbau beziehungsweise Faserproduktion sowie Spinnen und Weben bleiben unberücksichtigt. Damit fehlen entscheidende Schritte einer nachhaltigen Gesamtfertigung. Wir erhalten als Konsumentinnen und Konsumenten also eine Mogelpackung. Ein Schelm, der Böses denkt! Die Vermutung drängt sich auf, dass angesichts der Proteste, etwa nach dem Fabrikeinsturz in Rana Plaza oder die Fridays-for-Future-Bewegung, die Gemüter beruhigt werden sollen. Zudem stellt sich die Frage, ob sich hinter allen Siegeln und dem nun eingeführten Grünen Knopf nicht tatsächlich die neue Verkaufsmasche Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell verbirgt. Unser Gewissen wird beruhigt, indem uns Glauben gemacht wird, dass fair und nachhaltig produziert wird und dass sich Politik und Textilunternehmen intensiv um die drängenden Fragen der Nachhaltigkeit im textilen Sektor kümmern. Und so wird der Verkauf munter angekurbelt. Kaum thematisiert werden nachhaltige Maßnahmen, die wir individuell – mit kleinem Geldbeutel – durchführen können. So könnten wir dem schnellen Massenkonsum und damit einer Ex- und Hopkultur entsagen, wenn wir einen Kleidungsmix aus Secondhand, leihen, tauschen, weitergeben und selten mal ein neues Teil kaufen, pflegen würden. Diesen Weg wird das Fachgebiet Textiles Gestalten mit der geplanten Studierendenunternehmung FairoModa gehen. Was sich dahinter verbirgt, können Sie ab Dezember in unserer Galerie Stichpunkt erfahren. Lassen Sie mich mit einem Zitat von Vivienne Westwood schließen: „Buy less, choose well, make it last.“