Glüht, juckt und brennt. Wie gefährlich sind Tätowierungen?
- 15.11.2019
- Es gehört zu den Paradoxien unserer Zeit: übertriebene Besorgnis auf der einen Seite und ebenso unangebrachte Unbekümmertheit auf der anderen Seite; beide Extreme dadurch gekennzeichnet, dass der abwägende gesunde Menschenverstand auf der Strecke bleibt. Ein Paradebeispiel sind Tätowierungen, die sich erstaunlicherweise auch einer Beliebtheit selbst bei Impfgegnern und Veganern erfreuen. Wobei letztere für sich noch reklamieren können, dass Tätowierfarben keinesfalls tierischen Ursprungs sind. Das ist aber auch schon alles, was an Positivem über Tätowierfarben gesagt werden kann; ansonsten gibt es bisher keine verbindlichen gesetzgeberischen Vorgaben über die hier verwendeten Industriefarben, die nicht für den Gebrauch am/im Menschen entwickelt wurden. Ein ganzes Chemielabor kommt zur Anwendung, einschließlich der krebserregenden Azofarben, die die Tendenz haben – einmal unter die Haut gebracht – durch die Enzymscheren des menschlichen Stoffwechsels und in Anwesenheit von UV-Strahlung in noch toxischere Verfallsprodukte zerlegt zu werden, um fröhlich im Körper herumzuzirkulieren. Entsprechend bunt sehen Lymphknoten in der näheren und weiteren Umgebung von Tätowierungen aus. Da verwundert es nicht, dass Tätowierungen alle Arten von Problemen mit sich bringen: lokale Infektionen, Fremdkörperreaktionen, die sich in Form von schwärenden Knoten an den betroffenen Hautpartien entwickeln können, andere chronische Entzündungen, Nervenlähmungen, irreversible Narbenbildungen sowie Infektionen mit Hepatitis B, C oder HIV. In den USA wurde gezeigt, dass Tätowierte viermal häufiger Hepatitis C infiziert waren. Ein besonderes Problem stellen in letzter Zeit allergische Reaktionen auf die Tätowierfarben dar. Da kann ein flach tätowierter roter Mund plötzlich dreidimensional werden und, dem Thema entsprechend, permanent glühen, jucken und brennen. Die einzige Therapie ist, das Tattoo insgesamt herauszuschneiden. Kürzlich wurde über vermehrte Nickel- und Kobaltallergien berichtet, weil Tätowiernadeln in Anwesenheit von verschiedenen Pigmenten diese Schwermetalle freisetzen. Kurzum, Tätowierungen sind eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in großem Stil für Ärzte der verschiedensten Fachrichtungen – und das auf lange Sicht. Beunruhigend ist die starke Zunahme von Tätowierten in den letzten Jahren, wie gerade im Bundesgesundheitsblatt publiziert wurde. Danach ist jetzt jeder Fünfte über 14 Jahren tätowiert (so viele Menschen wie nie zuvor). Ganz deutlich haben die Frauen aufgeholt, die jetzt ungefähr gleich häufig wie Männer tätowiert sind. Die Spätfolgen dieser Modetorheit werden wir in den nächsten Jahrzehnten noch näher studieren können. Lediglich das Infektionsschutzgesetz macht Vorgaben zu Hygienebedingungen in Tätowierstudios, ansonsten herrscht hier rechtlich gesehen Grauzone, nicht nur bei den Farben. Insbesondere fehlt jede systematische Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen, wie sie für alle Arten von medizinischen Eingriffen – darunter unvergleichlich viel harmloseren als beliebige Chemikalien unter die Haut bringen – unabdingbar vorgeschrieben ist. Hier setzt unsere europäische Kampagne an: „Think before you ink!“ Sie versucht, jungen Menschen geeignete Informationen zu vermitteln, einschließlich darüber, welche umfangreichen Prozeduren erforderlich sind, um ein Tattoo wieder loszuwerden. Und dass das vielfach nicht gelingt …