Alarmstufe rot. Ist der Klimanotstand in Städten nur Augenwischerei?
- 15.11.2019
- Im Mai 2019 hat Konstanz den „Klimanotstand“ ausgerufen. In anderen Staaten gibt es ähnliche Erklärungen großer Städte schon länger. Hinter dem plakativen Titel, der die Größe des Problems verdeutlichen soll, verbirgt sich ein Beschluss des Stadtrates, mit dem sich die Stadt auf mehr Anstrengungen beim kommunalen Klimaschutz verpflichtet. Klimaschutz ist eine Aufgabe für alle Ebenen: Neben der EU und den Staaten können auch die Kommunen in ihren Verantwortungsbereichen tätig werden. Dazu gehören etwa die kommunalen Handlungsfelder Mobilität, Energieversorgung und Bauen. Wenn die rechtsverbindlichen Ziele zur Treibhausgasreduktion erreicht werden sollen, müssen auch die Kommunen tätig werden. Insofern ist es zu begrüßen, dass die Städte sich dieser eigenen KlimaschutzVerantwortung bewusstwerden. In Deutschland wird dieser Prozess vorangetrieben vom „Klimabündnis“, einem Netzwerk von Kommunen aus verschiedenen Staaten. Osnabrück gehört zu den frühen Mitgliedern. Die alarmierende Bezeichnung „Notstand“ wird aus verschiedenen Gründen kritisiert. Einige Städte, darunter Osnabrück, haben den Ausdruck bei ihren Beschlüssen dann auch nicht verwendet. Neben dem politischen Vorwurf des Alarmismus oder der bloßen Symbolpolitik, wird die Nähe zu Rechtsbegriffen kritisiert. Im Verfassungsrecht wird der Ausdruck „Innerer Notstand“ bei größeren Naturkatastrophen, aber auch bei anderen Gefahren für den Bestand des Landes oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung verwendet. Das Grundgesetz erlaubt in solchen Fällen die Anforderung von Polizeikräften über Landesgrenzen hinweg und den Einsatz von Bundeskräften zur Gefahrenbekämpfung vor Ort. Es geht hier also um die Abgrenzung von Bundes- und Landeszuständigkeiten, nicht um die Einschränkung von Grundrechten oder rechtsstaatlichen Garantien, wie wir sie vom „Ausnahmezustand“ der Weimarer Republik kennen. In die Nähe eines solchen „Ausnahmezustandes“ wird die Formulierung vom Klimanotstand manchmal von klimawandelskeptischer Seite gerückt. Damit wird suggeriert, dass ‚Verfassungsbruch und Diktatur wie damals in Weimar‘ Folge der kommunalen Beschlüsse wären. Das ist rechtlich wie politisch falsch! Solche Aussagen können zu einer populistischen Kommunikationsstrategie gehören, die der Diffamierung des Anliegens Klimaschutz dient. Zugleich aber wird hier deutlich, welche Risiken dramatisierende Sprache für die politischen Debatten birgt. Zuviel Notstandrhetorik führt zu Eskalation oder zu Abstumpfung. Rechtlich sind die Beschlüsse solange zulässig, als sie sich im Rahmen der kommunalen Befugnisse halten. Kommunen haben zwar nach allgemeiner Auffassung kein „allgemeinpolitisches Mandat“, dürfen sich aber zu – auch allgemeinpolitischen – Fragen jedenfalls dann positionieren, wenn diese einen örtlichen Bezug gerade zu ihrer Stadt aufweisen. Da der Klimawandel die Städte zwar in unterschiedlichem Maße, aber ohne Zweifel direkt betrifft, können sie im ihnen zustehenden Aufgabenbereich Klimaschutz betreiben. Sie dürfen auch die erforderliche Gesetzgebung des Bundes einfordern. Sie dürfen mit ihren Maßnahmen selbstverständlich nicht gegen Gesetze verstoßen. Bei den bisherigen Beschlüssen handelt es sich weitgehend um Absichtserklärungen. Nichts davon ist rechtlich problematisch. Die Absichten in konkrete Politik und bindende Maßnahmen umzusetzen wird nicht einfach sein. Erforderlich sind vor allem ausreichende Vorgaben des Bundesgesetzgebers. Erst kürzlich haben 11.000 Wissenschaftler erneut vor dem weltweiten „Klima-Notfall“ gewarnt.