Brexit. Was bedeutet ein „Crash-Ausstieg“ der Briten für deutsche Bürger?
- 16.11.2018
- Im Juni 2016 hat die britische Erde gebebt, und das Beben klingt in ganz Europa bis heute nach. Und nach einer von populistischen Manipulationen begleiteten Volksabstimmung hat mit dem Vereinigten Königreich zum ersten Mal ein Mitgliedstaat der Europäischen Union den Austritt aus dieser erklärt. Die Austrittserklärung erfolgte am 29. März 2017 und löste gemäß Artikel 50 des EUVertrages eine grundsätzlich zweijährige Verhandlungsphase aus, während der dieser austrittswillige Staat und die Union die Einzelheiten des Austritts und seine unmittelbaren Konsequenzen vereinbaren sollen. Nach Ablauf dieser Frist, am 30. März 2019, wird die britische Austrittserklärung wirksam: Ab diesem Tag wird das Vereinigte Königreich kein EUMitgliedsstaat mehr sein und das Unionsrecht findet im Verhältnis zu den verbleibenden Mitgliedstaaten keine Anwendung mehr. Die Folgen dieses Austritts können zwischen den Parteien im Austrittsabkommen nach Artikel 50 des EUVertrages relativ frei vereinbart werden. Kommt ein solches Abkommen aber bis zum März 2019 nicht zustande, wäre ein sogenannter hard Brexit oder eben ein „CrashAusstieg“ die Folge. In diesem Fall endeten am 30. März alle vertraglichen Gewährleistungen zwischen Großbritannien und der EU, es entfielen mit sofortiger Wirkung Aufenthaltsrecht, Freizügigkeit, Freihandel und Nichtdiskriminierung für alle deutschen Staatsangehörigen im Vereinigten Königreich. Die Rechtsstellung von Deutschen in Großbritannien bestimmte sich ausschließlich nach den dort geltenden staatlichen Bestimmungen und dem allgemeinen Völkerrecht. Was hieße das konkret? Wer die nächste royale Hochzeit oder ein Musical in London besuchen oder in Cornwall auf den Spuren Rosamunde Pilchers wandeln wollte, bräuchte ein Einreisevisum, das der britische Staat nicht erteilen muss. Er oder sie hätte keinen Rechtsanspruch auf Einreise und wäre nicht einmal vor Diskriminierung geschützt. Wenn Ihre Kinder einen Sprachkurs in Southampton machen oder in Cambridge studieren wollten, gälte dasselbe. Zudem würden die Studiengebühren nach dem Satz bemessen, der zum Beispiel auch für chinesische, arabische und russische Staatsangehörige gilt. Deutsche Staatsbürger, die in Großbritannien leben und arbeiten, verlören am 30. März von einem Tag auf den anderen ihr Aufenthaltsrecht und damit ihre Existenzgrundlage. Neue Existenzen ließen sich dort zunächst nicht, jedenfalls nicht rechtssicher gründen. Der von vielen so geschätzte English Breakfast Tea im Supermarkt oder der schottische Whisky im Weinhandel würden teurer, weil auf ihnen Einfuhrzölle lasteten. Übertragungen der Fußballspiele aus der englischen Premier League könnten entfallen, weil es sich um eine grenzüberschreitende Dienstleistung handelt. Flüge in die USA müssten ohne neue Vereinbarung den britischen Luftraum vermeiden, würden also länger und teurer. Produkte, die bislang unter Verwendung britischer Zulieferteile oder Vorfertigungen in Deutschland verkauft werden, könnten vom Markt verschwinden, weil Zulieferketten zerbrechen. All dies können Folgen des Brexits sein, ohne ein Austrittsabkommen wären sie wenigstens sehr wahrscheinlich. Ob Vereinbarungen gelingen können, die dem ein wenig die Spitze nehmen, ist gegen wärtig, Mitte November 2018, noch immer ungewiss. Diese Ungewissheit über die konkrete Gestalt des Brexits ist allgegenwärtig und überdeckt bislang in der öffentlichen Wahrnehmung manches andere: wie zum Beispiel die dringende Warnung vor den Untiefen direkter Demokratie, die sich aus den Geschehnissen ergeben muss!