Chemnitz, Leipzig, Dresden. Wie entstehen die fremdenfeindlichen Vorurteile gegenüber Migrantinnen und Migranten?
- 16.11.2018
- Vorurteile sind Einstellungen, die in der Regel eine negative Bewertung einer Person implizieren, weil sie zu einer bestimmten sozialen Gruppe gehört. Sie tragen dazu bei, den ungleichen Status gesellschaftlicher Gruppen aufrechtzuerhalten. Es wird zwischen offenen und subtilen Vorurteilen unterschieden. Ein offenes Vorurteil wäre die Bemerkung „Alle Flüchtlinge sind kriminell“. Subtile Vorurteile äußern sich hingegen nicht offensichtlich negativ, sondern in der Übertreibung von Differenzen, zum Beispiel „Deutsche und Flüchtlinge haben fundamental unterschiedliche Auffassungen von Arbeit“ oder der Verneinung positiver Emotionen: Während man gegenüber den Deutschen Sympathie empfindet, werden positive Emotionsäußerungen gegenüber Geflüchteten vermieden. Vorurteile entstehen insbesondere in einem Klima sozialer Ungleichheit und wahrgenommener Bedrohung. Leben Menschen in einer Gesellschaft mit großer sozialer Ungleichheit, reagieren sie mit Vorurteilen, wenn sie das Gefühl haben, eine neue Gruppe kommt und nimmt ihnen etwas weg (zum Beispiel Arbeitsplätze). Wenn sie somit die Ursache sozialer Ungleichheit nicht im gesellschaftlichen System ausmachen, sondern eine vermeintlich andere Ursache identifizieren („die politische Elite“, „die Migranten“), stärkt das den Nährboden für autoritäre, rechtsnationalistische Bewegungen wie Pegida, die solche Bedrohungsgefühle aufgreifen und verstärken. Die Abwertung anderer Gruppen hat in diesem Zusammenhang zwei weitere psychologische Funktionen. Erstens vergleichen Menschen die Gruppen, denen sie angehören, mit anderen Gruppen und streben danach, im Vergleich „besser“ abzuschneiden, um eine positive soziale Identität herzustellen. Eine positive soziale Identität hebt ihren Selbstwert und kann unter anderem über Diskriminierung anderer Gruppen erreicht werden. Zweitens haben Menschen das Bedürfnis ihr Leben kontrollieren zu können. Wird ihnen Kontrolle entzogen, weil sie zum Beispiel ihren Job verlieren, können sie Kontrollerleben über die Identifikation mit alternativen Gruppen wie Pegida wiederherstellen, da sie sich in dieser Gruppe stark fühlen können. Personen sind jedoch nicht gleichermaßen anfällig für Vorurteile. Es sind besonders diejenigen, die eher autoritär eingestellt sind und eine hohe Ausprägung in sozialer Dominanz haben. Die Autoritären fühlen sich besonders bedroht durch andere Werte und Symbole und reagieren dann mit Vorurteilen. Eine hohe soziale Dominanzorientierung drückt sich in dem Wunsch aus, dass es Gruppen an der Spitze und Gruppen ganz unten in der gesellschaftlichen Hierarchie gibt. Vorurteile gegenüber Migrantinnen und Migranten haben für Personen mit einer hohen sozialen Dominanzorientierung die Funktion, die hierarchischen Beziehungen in der Gesellschaft zu legitimieren: Die anderen sind faul und leisten weniger, daher ist es gerechtfertigt, dass ihnen weniger zusteht. Vorurteile lassen sich verstärkt dort finden, wo Menschen keinen Kontakt zu der sozialen Gruppe haben, gegenüber der sie Vorurteile hegen. Studien zeigen, dass Vorurteile in Ostdeutschland verbreiteter sind als in Westdeutschland, da in Ostdeutschland deutlich weniger Migrantinnen und Migranten leben und daher die Möglichkeiten für direkte Kontakterfahrungen reduziert sind. Dies ist sicherlich auch ein Grund, warum in Ostdeutschland die Zustimmung für Pegida, AfD und andere nationalistische bis rechtsradikale Bewegungen und Parteien höher ausfallen als in Westdeutschland.