Wie man sich fühlt so lernt man. Steigern Emotionen unsere Leistung?
- 16.11.2018
- Wie man sich fühlt, so lernt man. Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Bin ich schlecht gelaunt, müde oder sogar deprimiert, kann ich nichts in meinen Kopf bekommen. Schnell entsteht daraus die Schlussfolgerung: Negative Gefühle machen Lernen unmöglich oder erschweren es zumindest. Aber: Sind auch diese Gefühle, die wir nicht leichtfertig als „positiv“ einstufen würden, kontraproduktiv für den Lernprozess? In einer Studie haben Katrin Lückmann und ich über 500 Teenager zu ihren Artenkenntnissen befragt. Während nur 40 Prozent der Befragten Gras und 75 Prozent Gänseblümchen korrekt benannten, konnten 93,9 Prozent der Befragten Brennnesseln direkt erkennen. Lernerfolg durch Emotion ja – aber ob nun das Konzept „Lernen durch Schmerzen“ seriös übertragbar ist auf den Schulalltag wollen wir dann doch eher kritisch betrachten. Dass Emotionen negativ für den Lernprozess sein können, zeigt ein anderes Beispiel. Mit unseren Studierenden führen wir in jedem Semester ein interessantes Experiment durch. Alle Studierenden finden sich zu Paaren zusammen, eine Person ist „Lehrender“, die andere „Lernender“. Wir teilen das Seminar dann in zwei Gruppen auf. In Gruppe eins werden die „Lehrer“ beauftragt, dem Schüler zu den Leistungen negatives Feedback zu geben. In der anderen Gruppe darf das Feedback ausschließlich positiv sein. Die Schüler wissen nichts von dieser Agenda. Die Aufgabe besteht nun darin, mit verbundenen Augen und einem Stift in der Hand den Weg durch ein Fingerlabyrinth zu finden. Im Ergebnis liegen die Fehlerquoten bei den negativ verstärkten Schülern regelmäßig drei bis viermal so hoch wie in der positiv verstärkten Vergleichsgruppe. Hier lernen unsere Studierenden, wie sich direkt negativer Stress in der Lernleistung widerspiegelt. Als Biologiedidaktikerin darf ich zusätzlich noch auf ein besonderes Phänomen hinweisen. Wenn es darum geht, sich für die natürliche Umwelt zu engagieren, haben zahlreiche Studien zeigen können, dass Wissen über Problemzustände nicht ausreicht. Hingegen konnten wir in einer Studie unter der Leitung meines ehemaligen Doktoranden JanNiklas Sothmann nachweisen, dass eine emotionale Bindung zur Natur (im Gegensatz zu einer rein kognitiven Naturbindung) sich begünstigend für eine Schutz bereitschaft gegenüber der Natur auswirkt. Gleichzeitig geht eine positive emotionale Naturbeziehung mit einem erhöhten wahrgenommenen subjektiven Wohlbefinden einher. Fühlen wir uns der Natur mit dem Herzen nah, geht es uns also nicht nur gut, sondern wir tun auch etwas für sie. Wissen allein kann dies nie erwirken! Hier brauchen wir die emotionale Seite. Mittlerweile sind auch die Emotionen der Lehrenden selbst in den Fokus der Betrachtung geraten. In einer Studie mit Alexander Büssing konnte jüngst nachgewiesen werden, dass eine positive emotionale Einstellung in einem umstrittenen Thema wie der Rückkehr des Wolfs einen deutlichen Einfluss auf die Lernbereitschaft zu diesem Thema hat. Was kann also für das Lernen empfohlen werden? Emotionale Naturerfahrungen scheinen tatsächlich dazu beizutragen, negativen Stress weniger drastisch wirken zu lassen. Positives Feedback versus kein Feedback kann eine Strategie sein, um Lernerfolg zu steigern. Und am Ende, vor allem für die Personen unter Ihnen, die kleine Kinder um sich haben: Seien Sie nicht gestresst, wenn sich wieder bewahrheitet, was wir kognitiv wissen, aber emotional nicht wahrhaben wollen: Erfahrungen müssen emotional und direkt gemacht werden, sie zu erklären, hilft leider nicht.