1,2 Mio. Geflüchtete und trotzdem Fachkräftemangel. Sind Betriebe und Berufsschulen mit der Integration überfordert?
- 16.11.2018
- Als 2015 und 2016 viele Menschen in Deutschland Schutz suchten, hofften viele Betriebe und Branchen, mit den vorrangig jungen Geflüchteten ihre Fachkräftebedarfe decken zu können. Doch der betriebliche Einstellungsprozess war oftmals von administrativen Hürden und rechtlichen Unsicherheiten geprägt. Mittlerweile wurde von der Politik der Ausbildungsmarktzugang für Jugendliche mit unsicherer Bleibeperspektive erleichtert und damit Rechtssicherheit geschaffen. Trotzdem zeigen aktuelle Statistiken: Geflüchtete kommen erst langsam am Ausbildungs und Arbeitsmarkt an. Aus der anfänglichen Euphorie ist mittlerweile die Erkenntnis gewachsen, dass die Integration junger Geflüchteter Zeit brauchen wird. Die große Mehrheit der Schutzsuchenden ist in besonders jungem Alter nach Deutschland gekommen. Häufig haben sie (noch) keine Qualifikationen erworben, da sie aufgrund von Kriegen und Konflikten im Herkunftsland ihre Bildungsbiografien oftmals vorzeitig abbrechen mussten. Es ist jedoch keine Alternative, ohne weitere Qualifizierung als ungelernte Arbeitskraft in den deutschen Arbeitsmarkt einzumünden, da Arbeitsbereiche für niedrig Qualifizierte zunehmend schwinden. Dieser Umstand zeigt sich auch bei dem sogenannten Fachkräftemangel. Wenn über Fachkräfteengpässe debattiert wird, stehen häufig MINT oder Gesundheitsberufe im Fokus. Für den Zugang zu diesen (Ausbildungs) Berufen werden in der Regel jedoch sehr gute Sprachkenntnisse und formale Schulabschlüsse vorausgesetzt. Geflüchtete müssen also zunächst sprachlich und qualifikatorisch vorbereitet werden, bis sie aktiv am deutschen Ausbildungs und Arbeitsmarkt partizipieren können. Einschlägige Studien zeigen, dass es bis zu 15 Jahre dauern kann, bis Geflüchtete das gleiche Beschäftigungsniveau erreichen, wie andere Zuwanderungsgruppen. Aufgrund des Alters und der Qualifikationsbedarfe der Geflüchteten, nehmen Berufsbildende Schulen eine zentrale Rolle im Integrationsprozess ein, um junge Geflüchtete auf Ausbildung vorzubereiten. Sie stellen gegenwärtig eines der quantitativ wichtigsten Angebote zur vorberuflichen Qualifizierung junger Geflüchteter dar. Bundesweit wurden spezielle Vorbereitungsklassen für junge Geflüchtete eingerichtet, in Niedersachsen sind es die sogenannten SPRINTKlassen. Die meisten dieser Bildungsgänge sind auf eine Dauer von einem Jahr bis zwei Jahre ausgelegt. Statistisch zeigt sich jedoch, dass die Mehrheit der ausländischen Schülerinnen und Schüler es nicht schafft, in dieser kurzen Zeit sprachlich und beruflich fit für den Arbeitsmarkt zu werden. Forschungen hierzu zeigen, dass der zeitliche Druck zu großer Frustration seitens der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Lehrkräfte führt. Daher ist es von besonderer Bedeutung, dass angehende Lehrkräfte für die zukünftige Arbeit in heterogenen Lerngruppen adäquat ausgebildet werden. An der Universität Osnabrück ist diese Ausbildung mittlerweile fester Bestandteil. Beispielsweise werden Studierende des Lehramts an Berufsbildenden Schulen in Seminaren wie „Migration und Berufsbildung“ auf mögliche zukünftige Herausforderungen vorbereitet. MentoringProjekte wie das vom Fachgebiet Berufspädagogik geplante Vorhaben „BerufsBildungsBrücke“ soll Geflüchtete an Berufsbildenden Schulen und Studierende des beruflichen Lehramts zusammenbringen und verfolgt damit eine doppelte Zielsetzung: Junge Geflüchtete bei der beruflichen Orientierung zu unterstützen und angehende Lehrkräfte im Umgang mit heterogenen Lerngruppen zu schulen.