Sprecher und Hörer kommunizieren meist problemlos, ungeachtet beträchtlicher Unsicherheit darüber, was ihr Gegenüber genau will, glaubt oder für wichtig hält. Probabilistische Pragmatik ist ein formaler Ansatz, um diese mit Unsicherheit gespickte, aber effiziente Kommunikationssituation zu modellieren. Hierzu bedient man sich Einsichten der epistemischen Logik und der Spieltheorie, behält aber die Flexibilität auch Annahmen über natürliche kognitive Faktoren, Mechanismen oder Einschränkungen zu integrieren. Es hat sich gezeigt, dass nicht nur konzeptuelle oder theoretische Fragestellung hiermit behandelt werden können, sondern auch, dass sich auch theoretisch interessante quantitative Aspekte experimenteller Daten hiermit erklären lassen.Unsere Arbeit der ersten Projektphase hat ihren Beitrag geliefert, die probabilistische Pragmatik zu etablieren als eine interessante Alternative, die Brücken schlagen kann zwischen formaler Linguistik, experimenteller Psycholinguistik und kognitiver Modellierung. Die erste Projektphase hat vornehmlich Produktion und Interpretation referentieller Beschreibungen und vager Ausdrücke der Quantität (z.B. "einige", "viele" oder "wenige") untersucht. Die zweite Projektphase wird die Forschung in diesen Domänen fortzusetzen und dabei insbesondere zwei Aspekte anzusprechen, die in der bisherigen Forschung zur probabilistischen Pragmatik nur unzureichend zur Sprache gekommen sind: den Zeitverlauf der Verarbeitung und freie Produktion von Äußerungen in komplexen Situation.Der wichtigste Bestandteil der zweiten Projektphase ist das Erarbeiten eines formalen, probabilistischen Modells pragmatischer Verarbeitung. Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass probabilistische Modelle gute Vorhersagen über Frequenzen von pragmatischen Entscheidungen treffen können. Es gibt aber keine nennenswerten Versuche auch experimentelle Daten zur inkrementellen "online" Verarbeitung zu erklären. Wir möchten deshalb ein solches Model entwickeln, das Daten aus Lesezeitstudien und Augenbewegungen aus so gennanten Visual Worlds zu erklären versucht. Unser Ansatz ist ein Modell eines idealisierten, die Äußerung des Sprechers antizipierenden und inkrementell interpretierenden Hörers, in Anlehnung an einflussreiche Modelle zur syntaktischen Verarbeitung.Weiteres Augenmerk der zweiten Förderphase liegt auf der Frage, ob sich bisherige Modellansätze auch auf komplexere Szenarien anwenden lassen. Wir werden komplexes Bildmaterial in Produktionsstudien verwenden und weitgehend freie Produktionsdaten sammeln, wobei wir die pragmatische Relevanz der Äußerungssituation systematisch manipulieren werden. Insbesondere schauen wir auf argumentative Kontexte, in denen der Sprecher den Hörer von einer Proposition überzeugen möchte. Bei all dem interessiert uns, wie erweiterte probabilistische Modelle solche kontext-spezifischen aber weitgehend freien Äußerungen erklären können.