Überwachung. Macht. Ordnung: Personen- und Vorgangsparteien als Herrschaftsinstrument der Gestapo
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Projektleitung

Beschreibung

  • Kaum eine andere Institution war im Dritten Reich gegenüber der eigenen Bevölkerung so unmittelbar für die Umsetzung der NS-Gewaltpolitik verantwortlich wie die Geheime Staatspolizei (Gestapo). Die bei Kriegsende fast vollständige Vernichtung ihrer Akten und Karteien ist bis heute ein Hauptgrund dafür, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Gestapo hinter der Forschung zu anderen NS-Institutionen zurücksteht. Dabei haben bisher die wenigen überlieferten Sach- und Personalakten der Gestapo eine zentrale Rolle gespielt. Vernachlässigt wurden dagegen die erhaltenen Gestapokarteien. Personen- und Vorgangskarteien markieren den Aufstieg von Vorratsdatenspeicherung zu einem zentralen Herrschaftsinstrument der Moderne. Dieser Prozess, d.h. die Entwicklung des Werkzeugs und es nutzender Praktiken, exemplifiziert sich in der Arbeit der Gestapo und kann durch eine darauf zielende Analyse ihres Karteiwesens, in diesem Projekt exemplarisch am Beispiel der Osnabrücker Gestapokartei, entschlüsselt werden. Als prozessgenerierte serielle Quelle liegt der historische Wert der Kartei in der Summe der in ihr gespeicherten Einzelinformationen. Massendatenbasierte Analysen ermöglichen Forschungen auf breiter empirischer Basis eine Mesoperspektive, die Prozessverständnis und Sichtbarkeit des Individuums verbindet. Das Verständnis des Wissensspeichers erlaubt es, die Genese und die Umsetzung von Überwachung und Verfolgung zu rekonstruieren und in ihrer Wirkung auf Gesellschaft und ebenso die Wirkung des Wissensspeichers auf die Arbeit der Gestapo beobachtet werden.In der Umsetzung verfolgt das Projekt vier Fragen im Themencluster Überwachung, Macht und Ordnung. Wir werden (1) die Genese der Osnabrücker Gestapo-Kartei nachvollziehen und darüber die für die Überwachung verfügbare Wissensmenge ermitteln. Datensammlung und -nutzung können in beliebigen Zeitschnitten rekonstruiert werden. Dies gewährt einen fundamental neuen Blick auf derartige Karteien. Wir erhalten also (2) einen Einblick in die handlungsleitende Wissensproduktion einer Institution des NS-Staates und damit in Praktiken der Datenspeicherung, der Überwachung und der Repression. Die Gestapokartei wird so zu einer Quelle, die es uns (3) erlaubt, diese Praktiken mit Methoden der Digital Humanities über Raum und Zeit zu visualisieren und zu analysieren, um so deren komplexe Muster aufzudecken. (4) Darüber lassen sich nicht zuletzt Fragen nach der Grundlage der gesellschaftlichen Macht der Gestapo adressieren. Das Verständnis von Ideen, Apparaten und Praktiken vorratsdatenbasierter Herrschaft eröffnet einen neuen Zugang zur Rolle von Institutionen bei der Organisation gesellschaftlicher Selbstordnungsprozesse.
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