Beschreibung
- Der Sonderforschungsbereich "Recht und Literatur" dient der Grundlagenforschung zu zwei wirkmächtigen "kulturellen Wertsphären" (Max Weber). Intensiver als dies bisher in Deutschland geschehen ist, arbeiten hier Literaturwissenschaft und Rechtswissenschaft als gleichberechtige Partner zusammen. Um die Beziehung zwischen Recht und Literatur genauer zu fassen, legt die Antragsgruppe die Kategorien Materialität, Komparativität und Konstitutivität zu Grunde. Diese strukturieren konzeptuell das gesamte Forschungsfeld. Die Kategorien gliedern zudem den Sonderforschungsbereich in drei Projektbereiche: Der Projektbereich A (Materialität) beschäftigt sich mit Recht in der Literatur und Literatur im Recht. Er erforscht, wie aus Literatur ein Gegenstand des Rechts bzw. wie aus Recht ein Gegenstand von Literatur wird, und welche Regularien die Auswahl von Materien leiten oder begrenzen bzw. welche Transformationen sich aus der ‚Vergegenständlichung‘ ergeben. Der Projektbereich B (Komparativität) fragt nach (historischen) Ausprägungen des Vergleichs zwischen Recht und Literatur, weitet die Perspektive aber auch auf verschiedene Forschungslinien von Komparativität in den beiden Disziplinen aus. Er erkundet damit Übereinstimmungen und Differenzen zwischen Recht und Literatur und reflektiert auf einer Metaebene grundlegende Formen sowie disziplinäre Spezifika des Vergleichens (comparison of comparisons). Der Projektbereich C (Konstitutivität) untersucht schließlich, inwiefern Literatur nicht mehr nur Attest bestehender Rechtsverhältnisse ist, sondern auch Recht begründet, es aufhebt oder gestaltet. Analog hierzu wird umgekehrt gefragt, inwieweit eine konstitutive Wirkung des Rechts für die Literatur festgestellt werden kann und Recht Literatur mitgestaltet oder gar ermöglicht.Die Ergebnisse erheben den Anspruch, zur Klärung wesentlicher Aspekte von Recht und Literatur beizutragen und die beiden Disziplinen für die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte zu rüsten. Nicht zuletzt in Anbetracht der heftig geführten Debatten zu Fakt und Fiktion, zu einem Recht des Volkes und einem Recht der Richter, zum Verschwinden klassischer Medien und dem Entstehen rechtsfreier Kommunikationsräume, schließlich zu nationalstaatlicher Souveränität und übergeordneter bald völkerrechtlicher, bald politisch-moralischer Standards ist eine Grundlagenreflexion über Inhalte, Prozesse und Artikulationsformen sowohl normativer als auch ästhetischer Wertvorstellungen ein Desiderat. So befördert der Sonderforschungsbereich in seiner auf zwölf Jahre angelegten Laufzeit die Weiterentwicklung eines modernen Rechts- und Literaturverständnisses, das sich insbesondere den Herausforderungen grundlegender wie hoch aktueller Fragen zur Bezüglichkeit von Recht und Literatur, von Europäisierung, Migration und Globalisierung und von medialen Umbrüchen stellt.