Medizinische Versorgung erwachsener Menschen mit Spina bifida und Hydrocephalus - Welche Strukturen brauchen Patientinnen bzw. Patienten und welchen Beitrag kann die Selbsthilfe leisten?
Projektstatus: abgeschlossen Drittmittelprojekt
Ausgangssituation, Projektziel und Methode: Durch Rückmeldungen von Mitgliedern, Selbsthilfegruppen und Diskussionen im wissenschaftlichen Beirat der ASBH wurde die medizinische Versorgung Erwachsener mit Spina bifida und Hydrocephalus als ungelöstes Problem an die Selbsthilfe herangetragen. Mit 18 Jahren endet die interdisziplinäre Versorgung in Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ). Nur in Mainz, Berlin und Erlangen war die Weiterbehandlung ab 18 Jahre (teilweise nur unter bestimmen Voraussetzungen) möglich. 2014 änderte sich die Versorgungssituation durch den neuen §119 c im SBG V, der die gesetzliche Grundlage für die Zulassung und die Finanzierung „Medizinischer Behandlungszentren Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen“ (MZEB) bildet. Es war zu erwarten, dass diese Versorgungsstruktur auch für Spina bifida und Hydrocephalus eine wichtige Lücke in der medizinischen Versorgung schließt, da die Behinderungen sich multimorbid (körperlich, geistig und psychisch) auswirken und somit sowohl schwere Mehrfachbehinderungen als auch geistige Behinderungen einschließen können. Der Projekt-zeitraum wurde daher gewählt, um in der Phase der Bildung einer neuen Versorgungsstruktur für erwachsene Menschen mit (geistiger oder komplexer) Behinderung den Bedarf aus Sicht der Patientinnen und Patienten mit Spina bifida und/oder Hydrocephalus abzufragen. Aufbauend auf die Befragung der Universität Osnabrück zur Versorgungsforschung bei Spina bifida, die 2014 durchgeführt wurde, wurde der Fragebogen der Universität Osnabrück1 genutzt und um weitere Fragen im Rahmen der Kooperation erweitert. Aufgrund der guten Response von 404 Rücksendungen bis 31.12.2015 und der quantitativ wie qualitativ hohen Aussagekraft wurde das Projekt 2016 verlängert, um eine vertiefte Auswertung unter verschiedenen Zielgruppen und Aspekten durchzuführen. Versorgungsrelevante Kernaussagen werden in diesem Bericht zusammengefasst und wurden mit statistischem Support der Universität Osnabrück erarbeitet.
Projektlaufzeit
01.07.2016 - 31.12.2016
Ergebniszusammenfassung
Die Befragungsergebnisse bzgl. der IST-Situation in der medizinischen Versorgung, Zufriedenheit und Lebenssituation sind deckungsgleich mit den Ergebnissen aus der Befragung der Universität Osnabrück 2014 mit 445 Fragebögen zwischen 18 und 78 Jahren (257 Frauen und 179 Männer). Bei beiden Umfragen gibt es bzgl. Geschlecht und Alter eine gute Verteilung, so dass diesbezüglich ein repräsentativer Querschnitt vorliegt. Allerdings deuten die Daten zum Schulabschluss auf ein Ungleichgewicht der Teilnehmenden zugunsten hoher Bildungsabschlüsse hin. Spina bifida und Hydrocephalus haben in den individuellen Auswirkungen eine große Bandbreite vom sportlichen Akademiker oder Paralympic-Teil-nehmer bis zu Menschen mit lebenslang hohem Pflege- und Betreuungsbedarf. Diese Vielfalt spiegelt die Befragung wieder, was uns für die Aussagekraft wichtig war. Zu berücksichtigen ist aber bei allen Gesamtaussagen, dass sie den Querschnitt wiedergeben, während der Versorgungsbedarf bei Untergruppen (z. B. mit kognitiven Einschränkungen, Sekundärerkrankungen oder psychischer Symptomatik) deutlich abweichen kann. Die Zufriedenheit mit der Versorgungssituation deckt sich ferner mit dem Ergebnis einer Befragung des Bundesverbandes Kleinwüchsige und ihre Familien e. V. (BKMF). Hier gaben 2015 mehr als 80% der 2015 Befragten an, dass sie sich gut versorgt fühlen. Die Auswertung ergab ein von der Ausgangslage abweichendes Bild: die Zufriedenheit mit der medizinischen Versorgung ist insgesamt gut bis befriedigend. Das „Schwarze Loch der Erwachsenenversorgung“ ist somit nicht die Realität einer Mehrheit, wenngleich jüngere Menschen zufriedener mit ihrer Versorgungssituation sind als Menschen ab 40 Jahre. Aus den Antworten zur SOLL-Situation ergibt sich ebenfalls ein differenziertes Bild: neben spezialisierten Zentren kommt den niedergelassenen Ärzten in Wohnortnähe eine mindestens ebenso große Bedeutung zu. Das Ergebnis der Patientensicht zu einer optimierten medizinischen Versorgung ist zum Abschluss des Berichts als „Konzept einer medizinischen Versorgungsstruktur für Erwachsene mit Spina bifida und oder Hydrocephalus aus Sicht der Patientinnen und Patienten“ zusammengefasst.