Beschreibung
- Wie vollziehen kollektive Akteure den Wandel von gemäßigtem Aktivismus hin zu politischer Gewalt? Insbesondere nicht-staatliche Organisationen sehen sich dabei hohen Risiken von Repression einerseits und Implosion andererseits ausgesetzt. Um ihre Anhänger:innen zu binden und Anreize für gewalttätiges kollektives Handeln zu setzen, bedarf es der Legitimierung radikalen Wandels. Diese lässt sich aber nicht auf ideologische Grundsätze oder strategische Diskursereduzieren. Mittels eines transdisziplinären Ansatzes untersucht die Autorin, wie Organisationen ihren Anhänger:innen radikale Veränderungen narrativ und emotional vermitteln. Die empirische Untersuchung fokussiert auf fünf islamistische Gruppen in Großbritannien und Deutschland in den 2000er und 2010er Jahren und zieht zahlreiche Primärquellen wie Texte, Audio- und Videomaterial heran.Das Buch greift relevante wissenschaftliche Debatten über Radikalisierung und politische Gewalt auf und leistet einen theoretisch, methodisch und empirisch fundierten Beitrag zur hochaktuellen Analyse der Emotionspolitiken kollektiver Akteure. Um Veränderung in den politischen Zielen und Praktiken über Zeit zu verstehen, operationalisiert die Autorin in einem ersten Schritt diskurs- und handlungsbasierte Formen von Mäßigung und Radikalisierung. Auf diese Weise rekonstruiert sie empirisch Phasen von Aktivismus. Im nächsten Schritt untersucht sie, wie sich die Narrative von Gruppen in den identifizierten Phasen entwickelt haben. Die Analyse fokussiert darauf, wie Organisationen den Wandel hin zur politischen Gewalt narrativ legitimieren und Anreize für kollektives Handeln setzen. Im Fokus stehen dabei insbesondere kollektive Emotionen, die in und durch Erzählungen zum Ausdruck kommen, und ihre Auswirkungen auf (gewaltsame) kollektive Handlungsformen. Das zentrale Argument ist, dass Organisationen radikale Veränderungen ihres Aktivismus mittels eines romantischen Narrativ vermitteln, in dem bestimmte Emotionen aufgeführt, (de)legitimiert und institutionalisiert werden. Kurz gesagt: Kollektive wie Individuen müssen sich bewegt fühlen.Indem es untersucht, wie und mit welchen Effekten nichtstaatliche Akteure Emotionen formen, geht dieses Buch über ideologiezentrierte und allzu rationalistische Ansätze zu Radikalisierung und politischer Gewalt hinaus. Die Autorin bietet so eine innovative und nuancierte Analyse an, die sich von konventionellen Interpretationen abhebt und die Macht kollektiver Emotionen aufzeigt. Das Argument geht dabei weit über Phänomene von islamistischer Mobilisierung hinaus, stützen sich doch gesellschaftspolitische Diskurse und Praktiken aller Art auf Emotionspolitiken. Um diese erfassen zu können, bedarf es eines grundlegenden, epistemischen Wandels in der Erforschung von Weltpolitik. Das vorliegende Buch zeigt, wie dies gelingen kann.